Regierungskrise in Italien: Rom rückt nach rechts

Für Italiens rechtspopulistische Parteien stehen die Chancen bei Neuwahlen gut. Europa muss sich auf schwierige Zeiten gefasst machen.

Matteo Salvini Giorgia Meloni Silvio Berlusconi

Matteo Salvini (l) und Giorgia Meloni (Mitte) wetteifern in Rassismus und EU-Bashing miteinander Foto: Guglielmo Mangiapane/reuters

Gestrauchelt war Italiens Ministerpräsident Mario Draghi in der letzten Woche über seinen Konflikt mit den ihn bisher stützenden Fünf Sternen – gestürzt aber ist er vor allem dank der italienischen Rechten, dank Matteo Salvinis Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia, die ebenfalls zu seiner Koalition der nationalen Einheit gehörten. Draghi gab am Donnerstag seinen Rücktritt bekannt.

Beide versuchten, dem Premierminister fürs Weitermachen Konditionen zu diktieren, beginnend bei der Zusammensetzung des Kabinetts, die einen kräftigen Rechtsruck bedeutet hätten. Und beide handelten im Wissen, dass der Rechtsblock bei einem Scheitern dieses Versuchs eine valide Auffanglösung parat hat: Neuwahlen, bei denen ihr Lager klar favorisiert ist.

Zu diesen Neuwahlen wird es voraussichtlich am 2. Oktober kommen. Dass jetzt gegenüber dem regulären Wahltermin im März 2023 sechs Monate früher gewählt wird, ist für sich genommen kein Drama. Ein Drama allerdings, für Italien und für Europa, ist der zu erwartende Wahlausgang: ein Sieg, womöglich gar ein Kantersieg der klar populistisch dominierten Rechten.

Zwei Kräfte geben in ihr den Ton an. Vorne liegt mittlerweile die postfaschistische und stramm nationalistische Kraft Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens) unter Giorgia Meloni. Sie stand immer in Opposition zu Draghi, und sie kommt in den Umfragen auf 22-24%. Salvinis Lega dagegen ist auf nur noch 15% abgestiegen – auch weil viele seiner Wäh­le­r*in­nen die Unterstützung für den Technokraten Draghi nicht goutierten.

Salvini und Meloni wetteifern in ihrer Fremdenfeindlichkeit genauso wie in ihrem EU-Bashing, sie rühmen sich ihrer Freundschaften zu Viktor Orbán, Marine Le Pen und Jarosław Kaczinsky. Und sie schicken sich an, nicht irgendein EU-Land zu übernehmen, sondern die drittgrößte Volkswirtschaft – zugleich aber auch die Volkswirtschaft mit den größten Problemen in der EU und der Eurozone.

Italiens Staatsverschuldung liegt bei 150%, und jetzt – bei wieder anziehenden Zinsen – wird diese Verschuldung erneut Thema auf den „Märkten“, die noch kritischer hinschauen werden, wie das Land seiner Schwierigkeiten Herr werden will, ob es in der Lage und überhaupt bereit ist, seine Reformagenda umzusetzen. Natürlich war Draghi nicht die Lösung des Problems – doch er galt als Bürge für eine Politik, die auf Stabilität auch in instabilen Zeiten zielte.

Gleiches lässt sich für Meloni, lässt sich für Salvini nie und nimmer behaupten: Einmal an die Regierung gelangt, hätten sie das Zeug dazu, große Sprengkraft für die EU, für den Euro zu entfalten. Stramm rechtspopulistische Regierungen kannten wir bisher nur aus Osteuropa, aus Polen oder Ungarn. Wir sollten uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass eine solche Regierung jetzt auch in Italien droht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.