: Handeln für eine bessere Welt
Mit der Aktion „fairwertsteuer“ zeigt die Fair-Handel-Bewegung, wie Solidarität konkret werden kann
Von Gerhard Werum
Seit das Coronavirus die Welt auf den Kopf stellt, blicken viele auf die Strukturen der Globalisierung. Plötzlich interessiert, welche Auswirkungen die Infektionszahlen anderer Länder auf unsere Importe und Wirtschaft haben. Ausgeblendet werden jene, die am Anfang der Lieferketten stehen: deren Fabriken geschlossen waren und deren Produkte auf den Feldern verrotteten.
Bei Importeuren von fair gehandelten Waren, die enge Kontakte zu Produzent*innen pflegen, kamen Hilferufe an. Dabei saß man auch hier auf den Produkten fest, da die Läden geschlossen waren. Was also war zu tun?
Steffen Weber, Geschäftsführer des Weltladen-Dachverbandes, stellte dazu auf den digitalen Weltladen-Fachtagen im Juni 2020 die „aktion #fairwertsteuer“ vor: Man könnte die damals bevorstehende Senkung der Mehrwertsteuer ummünzen, um Gelder für einen Fonds zu generieren. Die Idee kam bei den Akteur*innen des Fairen Handels gut an. Preise nicht zu reduzieren war Kund*innen leicht zu vermitteln, so konnte Solidarität konkret werden.
Mit weiteren Zuwendungen kamen am Ende über 500.000 Euro zusammen. Eine Kommission aus Fair-Handels-Importeuren, Fair-Handels-Beratung und dem Weltladen-Dachverband sichtete Anträge der Produzent*innen. Oft gingen sie über die konkrete Nothilfe hinaus. Es galt, resiliente Strukturen zu schaffen, die langfristig für mehr Unabhängigkeit, aber auch Biodiversität sorgen. Denn Krisen sind im Globalen Süden mittlerweile Standard. Nicht nur Corona, auch Hurrikans und Dürren zerstören Jahr für Jahr die Lebensgrundlagen. Die Klimakatastrophe wird die Krisen vervielfachen.
Angeregt durch die Aktion äußerten die Partner berechtigte Wünsche. Sanu Prajapati, Repräsentantin des Betriebs Chandra Handicrafts aus Nepal, erklärte etwa in einer E-Mail an Ganesh-Nepalhandel in Dortmund: „Wir schätzen Eure Hilfe sehr, würden uns aber noch mehr freuen, wenn Ihr uns Aufträge anbieten könnt, um so mit Arbeit die ganze Chandra-Handicraft-Familie längerfristig abzusichern.“
Der Einsatz für eine solidarischere und gerechtere Weltwirtschaftsordnung erfordert viel mehr als eine halbe Million Euro. Wir müssen bewusster konsumieren. Und wir müssen politisch handeln und uns einsetzen für ambitioniertere Klimaziele und für ein Lieferkettengesetz auf EU-Ebene, das wirksamer sein muss als das deutsche. Zum Kampf gegen weltweite Ungerechtigkeit zeigt der Faire Handel, wie beispielsweise Fluchtursachen vor Ort entgegengewirkt werden kann und wie kleinbäuerliche Strukturen die weltweite Ernährung sichern.
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