Michael Braun über die Krise der Fünf-Sterne-Bewegung in Italien
: Hinterzimmerkonflikte

Geschichte wollten die „Fünf Sterne“ schreiben, wollten Italiens Politik und auch die Gesellschaft verändern. Jetzt aber, so scheint es, gehören sie zehn Jahre nach Beginn ihres Aufstiegs selbst der Geschichte an.

Luigi Di Maio, das prominenteste Regierungsmitglied des Movimento 5 Stelle (M5S), erklärte nun seinen Austritt, um gemeinsam mit anderen Par­la­men­ta­rie­r*in­nen eine neue politische Formation zu gründen. Unmittelbar zuvor hatte Italiens Senat mit breiter Mehrheit die Ukrainepolitik der Regierung unter Mario Draghi abgesegnet – und beide Lager der Fünf Sterne hatten zugestimmt. Doch Di Maios Ja kam aus Überzeugung, während Parteichef Guiseppe Conte nur mit Bauchschmerzen für Draghis Kurs votierte. Wochenlang hatte er weitere italienische Waffenlieferungen an die Ukraine infrage gestellt und einen Kurswechsel hin zu größeren diplomatischen Anstrengungen für Friedenslösungen gefordert. Am Ende fügte sich Conte Draghis Unnachgiebigkeit innerhalb der Koalition und dem Drängen Di Maios.

Eben dies macht die gerade erfolgte Spaltung so bizarr. Die Fünf Sterne, die doch angetreten waren, um die „selbstreferenzielle“ Politik zu bekämpfen, bieten ein Schauspiel, wie es selbstreferenzieller nicht sein könnte. Sie stimmten nicht nur geschlossen für dieselbe Resolution im Parlament. Beide Lager sind sich auch einig, dass sie ihre Zukunft innerhalb eines breiten progressiven Flügels sehen. Nur: Gemeinsam wollen sie diesen Weg nicht mehr verfolgen.

In Wahrheit geht es um die Macht im M5S und vorneweg um die Frage, wie die Bewegung es mit ihrer Regel halten will, dass ihre Abgeordneten höchstens zwei Legislaturperioden im Parlament sitzen dürfen. Di Maio steht vor dem Ende seiner zweiten Amtsperiode; er ebenso wie viele seiner Gefolgsleute haben keine Lust, ins bürgerliche Leben zurückzukehren. Doch auch hierüber führt das M5S keine offene Auseinandersetzung. Und so wird die Abspaltung zur Zäsur einer Bewegung, die angetreten war, für Transparenz und Basisdemokratie zu sorgen – und die jetzt von den Wäh­le­r*in­nen kaum zu vermittelnden Hinterzimmerkonflikten zerrissen wird.

krieg in der ukraine