Türkei und Griechenland im Dauerkonflikt: Athen und Ankara streiten wieder

Russlands Angriffskrieg schien auch eine Annäherung zwischen den Nato-Staaten Griechenland und Türkei zu bringen. Damit ist es nun vorbei.

Erdogan beobachtet Kampfflugzeuge bei einem Militär-Manöver nahe Izmir

Präsident Erdogan bei einem Militärmanöver in der Ägäis am 9. Juni 2022 Foto: Turkish Presidency/ap

ISTANBUL taz | Der Dauerstreit zwischen Griechenland und der Türkei geht in eine neue Runde. Statt Verhandlungen über die strittigen Seerechtsfragen im Mittelmeer und der Ägäis zu führen, wurden die Gespräche wieder einmal abgebrochen und stattdessen wird erneut verbal gedroht und vor allem in Griechenland Kriegsszenarien heraufbeschworen.

Dabei sah es vor nicht langer Zeit noch ganz gut aus. Angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine im Februar rückten die Nato-Staaten zusammen. Auch Griechenland und die Türkei wollten und sollten ihren Beitrag zur Verteidigung der Ukraine leisten. Griechenland mit einer neuen US-Militärbasis in Alexandroupolis in der Nordägäis, über die ein Großteil der US-Waffenlieferungen in die Ukraine abgewickelt wird, die Türkei über den Versuch, sich als Vermittler für Friedensverhandlungen zu positionieren.

Diese Arbeitsteilung wurde von den meisten Nato-Staaten begrüßt, der lange isolierte türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan konnte im Westen wieder etwas punkten. Neben Bundeskanzler Olaf Scholz und anderen Regierungschefs aus EU und Nato reiste Mitte März auch der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis zu einem Kurzbesuch nach Ankara. Der Tenor der Gespräche: Angesichts der neuen Krise sollten die griechisch-türkischen Streitigkeiten möglichst zügig in konstruktiven Gesprächen zwischen beiden Ländern gelöst werden.

Nato und EU durften hoffen, dass sich im Dauerkonflikt zwischen den beiden Nato-Ländern nun vielleicht ein Kompromiss anbahnen würde.

Erdoğan: „Mitsotakis existiert für mich nicht mehr“

Aus türkischer Sicht hat der griechische Ministerpräsident Mitsotakis dieses Einvernehmen aufgekündigt, als er Mitte Mai zu einem Besuch nach Washington fuhr. In einer leidenschaftlichen Rede vor beiden Kammern des Kongresses beschwor er die Senatoren und Abgeordneten, Waffenlieferungen ins östliche Mittelmeer zu verhindern. Obwohl er die Türkei nicht namentlich nannte, war allen klar, was gemeint war. Die Parlamentarier sollten die Lieferungen moderner F-16-Kampfflieger an die Türkei verhindern, ein Deal, der zwischen der Biden-Administration und Ankara bereits vereinbart war.

Erdoğan fühlte sich von Mitsotakis hintergangen und muss nun tatsächlich fürchten, dass aus dem Kauf der F-16 nichts wird, weil der Kongress schon traditionell eher auf Seiten Griechenlands steht. Entsprechend sauer war der türkische Autokrat. In einer Rede eine Woche später erklärte er: „Mitsotakis existiert für mich nicht mehr. Ich werde nie mehr mit ihm reden.“ Die Verhandlungen mit Griechenland wurden eingestellt.

Seitdem eskalieren der verbale Schlagabtausch und die militärischen Provokationen. Türkische Kampfflugzeuge würden immer häufiger den griechischen Luftraum über Inseln entlang der türkischen Küste verletzen, wird in Athen beklagt, während der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu kritisiert, dass, entgegen der geltenden Abkommen, die Inseln mit griechischem Militär vollgepackt seien. Beides, die sogenannten Dog-Fights zwischen türkischen und griechischen Kampffliegern und auch der Status der Dodekanes-Inseln, sind uralte Streitklassiker, die bei passender Gelegenheit aktiviert werden.

Während in Griechenland und vor allem auf den Inseln eine regelrechte Kriegsangst geschürt wird, betonen beide Seiten, dass von ihnen keine Bedrohung ausgeht. Mitsotakis sagte am Mittwoch, es sei doch jedem klar, dass Griechenland niemals von den Inseln aus die Türkei angreifen würde.

Und der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar meinte am gleichen Tag vor der parlamentarischen Versammlung der Nato-Staaten, Griechenland solle aufhören, in Washington und Brüssel die Türkei anzuschwärzen, sondern sich stattdessen zu aufrichtigen Verhandlungen bereitfinden.

Das scheint selbst innerhalb der Nato die Mehrheitsmeinung zu sein. Gegenüber der griechischen Nachrichtenagentur ANA sagte der sonst immer so zurückhaltende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag sichtlich genervt, das sei ein Konflikt zwischen zwei Nato-Ländern, den beide bilateral lösen müssten. Die Nato habe damit nichts zu tun.

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