Nur ein Mal mehr Geld?

Ein steuerfreier Bonus statt dauerhaft höheren Gehalts: Der Vorschlag des Kanzleramts an Arbeitgeber und Gewerkschaften bleibt zunächst vage. Auf Kritik stößt er trotzdem schon

Einmalzahlung oder Tarif­erhöhung? Streikende Stahlarbeiter Anfang Juni in Salzgitter Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Von Tobias Schulze

Grenzenlose Begeisterung hat der Vorstoß aus dem Kanzleramt erst mal nicht ausgelöst – nicht bei den Unternehmen, nicht bei den Gewerkschaften, auch nicht bei den Koalitionspartnern. Am Montagmittag zum Beispiel tritt Grünen-Chefin Ricarda Lang nach der Vorstandssitzung ihrer Partei vor die Presse. „Olaf Scholz ist jetzt vorangegangen und hat einen Vorschlag gemacht“, sagt sie. Spannend sei der, man werde ihn sich anschauen. Einen „Überbietungswettkampf“ solle die Regierung jetzt aber lieber nicht starten – und sich stattdessen auf „den Prozess mit den Arbeitgebern und den Gewerkschaften einlassen“.

Am kommenden Montag treffen sich die Tarifpartner und Regierungsvertreter im Kanzleramt. Schon Anfang Juni hatte der Bundeskanzler zu dieser „konzertierten Aktion“ eingeladen, um gemeinsam über den Umgang mit den steigenden Preisen zu beraten. Am Sonntag nun hat das Kanzleramt über die Bild-Zeitung einen ersten Vorschlag lanciert: Die Gewerkschaften sollen bei den kommenden Tarifverhandlungen auf zu hohe Gehalts­erhöhungen verzichten, die Arbeitgeber dafür einen einmaligen Bonus zahlen und der Staat auf diesen Betrag keine Steuern fordern.

Der Gedanke hinter dem Konzept: Fürs Erste könnten die Tarifbeschäftigten ihre höheren Lebenshaltungskosten abfedern. Eine Lohn-Preis-Spirale, bei der sich höhere Tarife und Preissteigerungen gegenseitig hochschaukeln, würde aber verhindert. Mit konkreten Zahlen ist der Vorschlag noch nicht hinterlegt. Ein Regierungssprecher wollte den Bericht am Montag noch nicht mal bestätigen.

Von anderen Seiten kommen dagegen Bedenken. Los geht es schon bei der Problemanalyse: Unter Wirtschaftswissenschaftlern ist es umstritten, ob in der aktuellen Situation tatsächlich eine Lohn-Preis-Spirale droht. Auslöser für die aktuelle Inflation ist ja ein eingeschränktes Rohstoff- und Warenangebot als Auswirkung der Coronapandemie und des Ukrainekriegs. Mit hohen Tarifforderungen haben sich die Gewerkschaften in den vergangenen beiden Jahren dagegen zurückgehalten, die inflationsbereinigten Reallöhne sind zwei Jahre hintereinander gesunken. Entsprechend beschränkt ist auch die Bereitschaft bei den Gewerkschaft, weiterhin übermäßig zu verzichten. „Einmalzahlungen bringen uns nicht weiter“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke am Montag im Bayerischen Rundfunk.

Eine Gerechtigkeitsfrage warf ausgerechnet FDP-Chef Christian Lindner auf. „Einmalzahlungen könnten sinnvoll sein“, schrieb er auf Twitter. „Aber wo Unternehmen hohe Gewinne machen, ist eine Subventionierung der Arbeitgeber nicht angezeigt.“ Tatsächlich gibt es ja Branchen, die in der Krise ihre Gewinne ausbauen und sich sowohl höhere Tarife als auch Steuern auf Bonuszahlungen leisten könnten. Nach der großen Kritik am Tankrabatt, von dem nicht zuletzt die Mineralölkonzerne profitierten, ist der Finanzminister nun offenbar vorsichtiger; außerdem würde der Steuerverzicht an dieser Stelle mit seinen Wünschen kollidieren, die Einkommensteuer zu senken und die Schuldenbremse einzuhalten.

Und dann ist da noch das Problem, dass vom Vorschlag aus dem Kanzleramt längst nicht alle profitieren würden. „Wir müssen diejenigen unterstützen, die wirklich Unterstützung brauchen“, sagte Grünen-Chefin Lang am Montag auf ihrer Pressekonferenz. Wer keinem Tarifvertrag unterliegt – mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer, darunter viele Geringverdiener –, hätte von einer Einigung mit den Tarifparteien ja erst mal nichts. Arbeitslose, Studierende oder Rentner schon gar nicht. Gut möglich also, dass die Entlastungsfrage auch nach der „Konzertierten Aktion“ noch lange nicht abschließend geklärt sein wird.