Parteitag in Berlin: Die SPD bleibt unberechenbar

Die Wahlschlappe der Par­tei­che­f*in­nen Giffey und Saleh stellt die Berliner SPD vor ein grundlegendes Problem: Was will sie eigentlich?

Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, und Raed Saleh (SPD), Fraktions- und Landesvorsitzender, beim Landesparteitag ihrer Partei im Estrel-Hotel.

Franziska Giffey und Raed Saleh erlitten auf dem SPD-Landesparteitag eine Wahlschlappe Foto: dpa/Jörg Carstensen

Man muss sich die Umstände noch mal ins Gedächtnis rufen, um die ganze Dimension dieser Schlappe für Franziska Giffey und Raed Saleh zu begreifen. Sie haben die SPD mit einem pointierten Wahlkampf von einer fast aussichtslosen Position aus erneut ins Rote Rathaus geführt und damit vielen Par­tei­ge­nos­s*in­nen einflussreiche Posten beschert; Giffey macht bisher aus Sicht der SPD eine fast fehlerlose Arbeit als Regierende; auf dem Parteitag gab es keine Ge­gen­kan­di­da­t*in­nen. Und trotzdem erreichen weder Giffey noch Saleh bei ihrer Wiederwahl auf dem Parteitag am Sonntag 60 Prozent. Ein Debakel.

Von Saleh ist der Satz überliefert, dass seine Partei ihn nicht mit Zustimmung bei Wahlen verwöhne. Trotzdem hatten Giffey und auch er sich deutlich mehr erwartet. Was denn sonst wäre die Alternative gewesen?

Was Inhalte angeht, müssen sich Giffey und Saleh genau das fragen. Ist der von Giffey im Wahlkampf eingeschlagene konservativere Kurs etwa in der Verkehrspolitik eine Sackgasse? Wie wollen die beiden, wie Giffey am Sonntag lautstark ankündigte, die Innenstadt Berlins von den Grünen zurückerobern, wenn sie in wesentlichen Teilen der Partei keinen Rückhalt haben? Und wenn schon eine Regierungsbeteiligung die Basis nicht zufrieden stellt – was denn dann?

Vielleicht sollte die SPD ernsthaft überlegen, freiwillig in die Opposition zu gehen nach mehr als 30 Jahren an der Macht in Berlin.

Die gleichen Fragen muss sich aber auch die Partei stellen. Die So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen waren schon immer stark darin, ihre Position durch eigenes Handeln zu schwächen. Daran hat sich nichts geändert; die von Saleh und Giffey beschworene Geschlossenheit jedenfalls gibt es nicht. Dabei darf die SPD nicht vergessen: Der Erfolg der Wahl im September lag auch am Höhenflug der Bundespartei unter Olaf Scholz. Darauf kann die Partei für die Zukunft aber nicht bauen: Der Scholz-Zug hat an Fahrt verloren, die nächste Wahl findet nicht mehr parallel zur Bundestagswahl statt. Vielleicht sollte die SPD ernsthaft überlegen, freiwillig in die Opposition zu gehen nach mehr als 30 Jahren an der Macht in Berlin.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.