Dominic Johnson über das Vertrauensvotum für Boris Johnson
: Ein Jahr Verschnaufpause

Nach dem gescheiterten Misstrauensvotum der konservativen Parlamentsfraktion in Großbritannien gibt es eigentlich nur Verlierer. Verloren haben zunächst einmal die Initiatoren des Votums selbst: mit 211 zu 148 Stimmen haben die Abgeordneten Boris Johnson das Vertrauen ausgesprochen. Eine Niederlage ist es aber auch für den Premierminister selbst, wenn gut 40 Prozent des eigenen Ladens für seinen Sturz stimmen – er ist nun deutlich geschwächt.

Doch den öffentlichen Verlautbarungen zufolge hinterlässt dieses Votum nur Gewinner. Die Tory-Rebellen brüsten sich mit der Stärke ihres Lagers. Johnson und seine Anhänger verweisen demgegenüber auf seinen deutlichen Sieg selbst in Zeiten eines dramatischen Vertrauenstiefs und betrachten das Votum als Schlussstrich unter sechs Monate der Peinlichkeiten. Wenn es nach einer Wahl zwei gefühlte Sieger gibt, kann das nur böse enden: Johnson will jetzt immer klarer durchregieren. Seine Gegner werden ihm immer öfter die Gefolgschaft verweigern. Wieder einmal muss sich ein Premierminister gegen Teile der eigenen Partei durchsetzen, um zu bestehen. Das kann nicht lange gutgehen – sicher nicht bis zum nächsten regulären Wahltermin Ende 2024. Doch eine Lösung der Krise ist schwierig. Johnsons Gegner hatten bei diesem Misstrauensvotum nicht die geringste Idee, was sie im Falle eines Sieges eigentlich machen sollten. Das macht sie umso gefährlicher für den Premier: Er kann ihnen politisch nichts anbieten, er muss sich selbst unter Beweis stellen.

Boris Johnson hat jetzt eine Verschnaufpause von einem Jahr, bevor das nächste parteiinterne Misstrauensvotum stattfinden kann. Er muss nun diese Zeit nutzen, um zu zeigen, dass er vernünftig regieren kann. Sein entschlossenes Agieren beim Corona-Impfprogramm und im Ukrainekrieg haben gezeigt, dass er dazu eigentlich in der Lage ist. Schafft er das auch in den Dauerthemen der Politik, ist in zwölf Monaten alles gut. Schafft er es nicht, ist es vorbei.

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