Newcomer der Automobilindustrie: Vietnams Tesla kämpft um Vertrauen

Der vietnamesische Elektroautobauer VinFast strebt auf den amerikanischen und europäischen Markt, doch gibt es Zweifel an der Seriosität.

Eine Frau auf einer blau erleuchteten Bühne

Vinfast-Chefin Le Thi Thu Thuy auf einer Veranstaltung in Las Vegas Foto: Getty Images

BERLIN taz | Die Chefin der im Ausland eher unbekannten vietnamesischen Automarke VinFast hat erkannt: Um in den USA und Europa jeweils eigene Fabriken für Elektroautos zu bauen und über die Börse zu finanzieren, muss sie das Vertrauen der Anleger gewinnen. Deshalb wird der Firmensitz gerade von Hanoi nach Singapur verlegt.

„Singapur hat eine Gerichtsbarkeit, der Investoren vertrauen,“ sagte Le Thi Thu Thuy kürzlich zu Reuters. Die Managerin führt Vietnams Autobauer, seit der deutsche Ex-Opel-Chef Michael Lohscheller dort letztes Jahr nach nur wenigen Monaten das Handtuch warf.

Nach den Umzug der Firmenzentrale soll Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres der Börsengang in den USA erfolgen. Dort sollen 2024 die ersten Elektroautos vom Typ VF8, einem SUV, von VinFasts erster Fabrik im Ausland vom Band rollen. Bis dahin kommen diese Autos aus Vietnam.

In North Carolina will VinFast noch 2022 mit dem Bau der Fabrik beginnen. Sie ist mit bis zu 4 Milliarden US-Dollar veranschlagt. Für bis zu 7.500 neue Arbeitsplätzen dort soll es 300 Millionen Dollar Subventionen geben.

Vietnams größter Privatkonzern

VinFast wurde 2019 von Vingroup, Vietnams größtem Privatkonzern gegründet. Den kontrolliert der reichste Vietnamese Pham Nhat Vuong. Der Milliardär hatte einst in der Ukraine als Händler für Instantnudeln begonnen. Sein von Hanoi protegierter Konzern wurde durch Immobilien und Ferienressorts groß und baut seit einigen Jahren auch Motorroller, Vietnams gängiges Transportmittel.

2019 öffnete Vinfast eine moderne Autofabrik in Haiphong. Dort wird inzwischen auch das Elektroauto e34 für den lokalen Markt produziert. Bald sollen dort nur noch Elektrofahrzeuge vom Band rollen.

Thuy sieht den Umstieg auf E-Autos als Chance: „Diese Kunden sind häufig marktoffener,“ sagt sie. Doch müsse nahe der Märkte produziert werden. Deshalb will sie auch in Europa, vermutlich in Deutschland, eine Fabrik bauen. Um die buhlen Berichten zufolge bereits Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Berlin. „Bisher gibt es noch keine Verhandlungen,“ sagte Thuy der taz.

Diese Woche wurde die baldige Eröffnung von 50 Autohäusern in Europa angekündigt, davon 25 in Deutschland. Die ersten sollen in Frankfurt, Berlin, Köln, Oberhausen und Hamburg öffnen, berichtet die E-Auto-Informationsplattform ecomento.de.

VinFasts Hauptvorteil sei der günstige Preis, glaubt Thuy. Doch blieb schon der Absatz in Vietnam hinter den Erwartungen. So verkaufte VinFast dort im laufenden Jahr bis Ende April nur 9.155 Fahrzeuge, davon nur 996 elektrische.

Günstiger Preis ist nicht alles

Der deutsche Autoindustrieexperte Stefan Bratzel ist skeptisch. „Nur über den Preis lassen sich neue Marken schlecht verkaufen“, sagt er. Sie „müssen immer zuerst das Vertrauen der Kunden gewinnen“. Das dauere Jahre. VinFast sammelt schon Vorbestellungen. Interessenten sind mit 150 Euro dabei. Laut Thuy seien bisher weltweit knapp 73.000 Reservierungen eingegangen.

In Berlin weckte VinFast jüngst Zweifel an seiner Seriosität. Ende April lud der Konzern vietnamesischsprachige Interessenten zu einer Werbeveranstaltung nach Lichtenberg. Trung Khoa Lê, Chefredakteur des unabhängigen Nachrichtenportals Thoibao.de, durfte nicht teilnehmen, wohl weil er schon kritisch über VinFast berichtet hatte.

Damals wurde ihm nach eigener Aussage sogar Geld geboten, damit er seinen Bericht lösche, ein in Vietnam bekanntes Verfahren. Jetzt wunderte sich Lê in Beiträgen über den schmuddeligen Veranstaltungsort, einem baufälligen Gebäude. Ein Wachschutz wollte ihn am Filmen hindern. Später sei ihm erneut Geld geboten worden, berichtete er jetzt der taz, damit er Beiträge lösche.

Er hatte auch gefragt, ob VinFast angesichts seiner derzeitigen Rekordverluste wirklich ein Werk in Deutschland bauen wolle oder nur den Eindruck erwecke, um in Vietnam Kapital zu akquirieren. Thuy wies gegenüber der taz Lês Aussagen zurück und sprach von einem „Missverständnis“.

Botschafter blieb Werbeveranstaltung für Landsleute fern

Doch hat sich womöglich auch das Verhältnis zwischen VinFast und Vietnams Regierung verschlechtert. Bisher war der Konzern ein nationales Prestigeobjekt und konnte auf starke Unterstützung der Regierung bauen.

Doch zur Berliner Veranstaltung kam nach Berichten von Teilnehmenden nicht einmal der Botschafter, der sonst auch Restaurants eröffnet. Und Zyniker wundern sich, wieso VinFast überhaupt auf Lês Berichte mit einem Bestechungsversuch reagierte statt Vietnams Regierung um Zensur zu bitten. Denn diese lassen doch sonst auch dessen Videos und Postings blockieren, wenn sie ihm partout nicht passten.

VinFasts Verhältnis zur Regierung in Hanoi scheint nicht mehr das beste zu sein. Derweil beschweren sich in Vietnams sozialen Medien KundInnen, dass ihr Elektrofahrzeug ohne Vorwarnung stehen bleibt, sollten sie VinFast die obligatorische Miete für die Antriebsbatterie nicht zeitig bezahlt haben.

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