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„Es fehlt eine offene Diskussion“

Sandra Schwindenhammer zum politischen Konflikt um die Zulassung von Gen-Mücken in Florida

Sandra Schwindenhammer

arbeitet als Politikwissenschaftlerin an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Sie ist Sprecherin des Arbeitskreises „Umweltpolitik und Global Change“ der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft.

Sandra Schwindenhammer ­beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit dem Gen-­Mücken‑Projekt. Sie untersucht dabei die demokratie­theoretischen ­Aspekte: wie ein Großkonzern die Regulierungs­behörden und die Öffentlichkeit beeinflusst.

taz: Was finden Sie an den Gen-Mücken so spannend?

Sandra Schwindenhammer: Man kann daran viele große Fragen unserer Zeit ablesen, allen voran: Wie mischen sich Unternehmen in die Gesellschaft ein? Oxitec ist es sehr früh gelungen, seine Technologie als nützliches Tool gegen Krankheiten darzustellen. Dadurch hat man es geschafft, dass die Behörden nicht nur auf die Risiken schauen, sondern sie gegen die möglichen Vorteile abwägen.

Auf den Florida Keys klagen die Gegner des Projekts über mangelnde Transparenz. Wie sehen Sie das?

Gegenüber den Behörden ist Oxitec sicherlich in gewissem Maße transparent – man will ja eine Genehmigung bekommen. Der breiten Öffentlichkeit wird mit Verweis auf den Patentschutz nicht alles verraten. Das nährt natürlich das Misstrauen.

Welche Fehler hat Oxitec gemacht?

Dass man bei einem solchen Projekt eine Restunsicherheit nicht ausgeräumt bekommt, ist normal. Aber Oxitec hat sich erst wirklich um gesellschaftliche Zustimmung bemüht, als der Gegenwind schon da war. Ab diesem Zeitpunkt hat Oxitec viele Ressourcen in die Kampagne investiert. Aber es fehlte eine offene Diskussion über das Wie. Es wurden überwiegend die Vorteile der Technologie kommuniziert.

Bei einem Referendum stimmte 2016 die Mehrheit der Befragten für die Gen-­Mücken. Wie schätzen Sie die aktuelle Stimmungslage ein?

Das ist schwer zu sagen; man hört ja immer vor allem die ­Lauten. Nur eine aktuelle Umfrage würde da Klarheit bringen. Generell ist es aber so: Je näher die Insekten an die Menschen vor Ort heranrücken, desto größer der Protest. Aus der Risikoforschung wissen wir, dass es nicht reicht, eine Tech­nologie zu erklären. Man muss die Leute von Anfang an einbinden. Und dabei müssen auch grund­sätzliche Fragen geklärt werden.

Zum Beispiel?

Ob die Menschen mit dieser Technologie überhaupt leben wollen. Selbst wenn sie funktioniert, kann ja etwas schiefgehen. Aber diese Risikoabwägung sollte man nicht alleine den Unternehmen überlassen. Es ist kein Zufall, dass dieses Experiment zuerst in den USA stattfindet. Dort ist die Risikoabwägung eine andere. Für den Einsatz in Europa hätte Oxitec die Zulassung vermutlich nicht bekommen.

Interview: Steve Przybilla

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