Die Lieblingsprojekte sind finanziert

Der rot-grün-rote Koalition stellt den finalen Doppelhaushalt vor. Jede Regierung­spartei bekommt ein paar Schmankerl – schließlich ist doch mehr Geld da als gedacht

Gute Nachricht: 23 Millionen Euro sollen in das Projekt „Housing first“ zur Vermeidung und Verringerung von Obdachlosigkeit gesteckt werden   Foto: Stefan Boness

Raed Saleh spart nicht mit feucht-fröhlichen Phrasen an diesem frühen Montagmorgen. Die Bezirke können den Sekt kalt stellen und einen „großen Schluck aus der Pulle“ nehmen, auch gebe es ein „bildungspolitisches Feuerwerk“, kündigt der SPD-Fraktionsvorsitzende an. Saleh – und seine Kol­le­g*in­nen von Grünen und Linken – sparen auch nicht an Geld, denn genau darum geht es bei der Pressekonferenz im Abgeordnetenhaus: Die rot-grün-rote Koalition hat sich auf den Doppelhaushalt für 2022 und 2023 geeinigt.

Und jede Fraktion hat ein bisschen was bekommen, um damit vor der eigenen Wäh­le­r*in­nen­kli­en­tel glänzen zu können. Rund 100 Millionen Euro Spielraum hatte jede für jedes der beiden Jahre. Das hat auch dazu beigetragen, dass die Verhandlungen weniger konfliktbehaftet abliefen und früher endeten als von allen erwartet.

Grund für den Spielraum: positive Steuerschätzungen bis weit in die 2020er Jahre hinein, die für dieses und das kommende Jahr ein Plus von knapp 2,2 Milliarden Euro versprechen. Und so wächst der Haushalt 2022 auf rund 37,4 Milliarden Euro, für 2023 sind sogar 37,8 Milliarden Euro veranschlagt. „Das zeigt: Wir sparen uns nicht aus der Krise“, betont Saleh. „Wir investieren in die Zukunft, verantwortungsbewusst und solide.“

So gibt es mit 3,5 Millionen Euro massiv zusätzliches Geld für die Polizeiwache am Kottbusser Tor in Kreuzberg, das Herzensprojekt von SPD-Innensenatorin Iris Spranger; in die Planungen für den Ausbau des U-Bahn-Netzes werden 15 Millionen Euro zusätzlich gepumpt, ebenso viel soll in den Ausbau der Kitas gepackt werden. Die Berliner Stadtreinigung bekommt 4 Millionen Euro für die Sperrmüllbeseitigung, und das Einbürgerungszentrum soll auch umgesetzt werden. Alles Punkte, die sich vor allem die SPD auf die Fahne geschrieben hat. „Die Stadt ist bei uns in guten Händen“, verkündet Saleh.

Für die Grünen verkündet Fraktionschefin Silke Gebel ein „Green Hospital“-Programm. Krankenhäuser sollen damit Unterstützung bekommen, um die sich stetig verteuernde Energie und CO2 einzusparen. Der erfolgreiche, weil bereits komplett verwendete Ankaufsfonds für Grünflächen werde wieder mit 10 Millionen Euro ausgestattet.

Es soll künftig Rufbusse in den Außenbezirken geben, mehr Geld für den Radverkehr und Fußgänger, sagt Co-Frak­tions­chef Werner Graf. Und vor allem sollen die Bezirke einen Topf mit insgesamt 30 Millionen Euro erhalten, um Veränderungen im Verkehrsraum gleich richtig machen zu können, sprich bei der Abschaffung von Parkplätzen zum Beispiel die entsprechenden Flächen entsiegeln.

Den Linken bleibt wie so oft in diesen Koalitionsrunden der Part fürs Soziale. 23 Millionen Euro sollen etwa in das Projekt „Housing first“ zur Vermeidung und Verringerung von Obdachlosigkeit gesteckt werden, sagt Fraktionschefin Anne Helm. Ab 2023 gebe es rund 17 Millio­nen Euro, um mehr pädagogisches Personal in die Schulen zu bringen, in „multiprofessionellen Teams“, wie Co-Fraktionschef Carsten Schatz erläutert.

Und dann sind da natürlich noch die ganz großen Projekte, für die Rot-Grün-Rot gemeinsam einsteht – für die anderen macht die Koalition das natürlich offiziell auch, aber bisweilen mit einem dezenten Augenrollen. Einer der größten Posten: Insgesamt 380 Millionen Euro sollen als Rücklage geparkt werden, um Härten durch die steigenden Energiekosten aufzufangen, sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Bereich, wie Saleh erläutert.

Wie das konkret aussehen soll; ab wann etwa ein Privathaushalt, der wegen hoher Strom- oder Gaskosten in Not geraten ist, auf Unterstützung aus dieser Rücklage hoffen kann, müsse der Senat noch ausarbeiten, so der SPD-Fraktionschef weiter. Er nannte als Modell einen Fonds der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nach dem Aus für den Mietendeckel 2021, aus dem Mie­te­r*in­nen Hilfen für Nachforderungen von Ver­mie­te­r*in­nen bekommen konnten.

Überhaupt schlagen sich die Krisen im Haushalt deutlich nieder. Für die Versorgung und Integration von Geflüchteten nicht nur, aber vor allem aus der Ukraine plant Rot-Grün-Rot bis zu 650 Millionen Euro ein. Schließlich wisse man derzeit weder, wie lange der Konflikt andauere, noch welche finanziellen Hilfen der Bund übernehmen werde, heißt es unisono.

Und dann bleiben da die Folgen der Coronapandemie. Um die Kliniken der Stadt krisenresilienter zu machen, erhalten diese zum einen zusätzliche Gelder in Höhe von rund 50 Millionen Euro in beiden Jahren, plus die vom Land gedeckte Möglichkeit, sich rund 240 Millionen Euro über Kredite am Kapitalmarkt zu leihen. „Das zeigt, dass wir aus den Herausforderungen aus Corona lernen“, sagt dazu Linksfraktionschef Carsten Schatz.

Noch mal die Kurve gekriegt hat die Koaliton im Bereich Schule. Erst hatte die geplante teilweise Abschaffung des sogenannten Verfügungsfonds für laute Proteste der Schul­lei­te­r*in­nen gesorgt; mit diesem Geld können die Schulen selbstverantwortlich zum Beispiel Projekte und Päd­ago­g*in­nen dafür bezahlen. Dann gab es Debatten, ob die von Rot-Grün-Rot seit 2016 als Pres­tigeprojekt beworbene Schulbauoffensive ins Stocken kommen könnte.

Grund für den Spielraum: positive Steuerschätzungen bis weit in die 2020er Jahre hinein, die für dieses und das kommende Jahr ein Plus von knapp 2,2 Milliarden Euro versprechen

Davon soll nicht mehr die Rede sein: 200 Millionen Euro zusätzlich gibt es für Neubau, Erweiterung und Sanierung der Schulen. „Alle geplanten Maßnahmen werden auf den Weg gebracht werden können“, sagt Schatz. Es drohe kein Rückstau. Auch der Verfügungsfonds bleibt bestehen, was Kosten von 15 Millionen Euro bedeutet. Und nachdem aktuell spekuliert wird, ob dem Land in diesem Jahr rund neue 1.000 Leh­re­r*in­nen fehlen werden, bessert die Koalition auch hier noch mal nach. Zusätzlich zu den Mehrausgaben für Lehrkräfteausbildung werde es eine Studie geben, warum Berlins Universitäten faktisch zu wenige Lehrkräfte ausbilden.

Bleiben die Bezirke: Sie waren die Ersten gewesen, die massiv gegen den Entwurf von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) geschossen hatten; acht Bürgermeister*innen, darunter auch eine Grüne, hatte einen offenen Brief formuliert: Von Wesener vorgesehene Einsparungen würden ihnen die letzte Handlungsfreiheit nehmen. Der Senator hatte diese Kritik stets zurückgewiesen.

Dennoch kündigt Raed Saleh am Montag an, dass man die „Sparvorgaben für die Bezirke auflösen“ werde; das entspreche einer Entlastung von 110 Millionen Euro.

Bei diesen vielen Mehrausgaben blieb am Ende die Frage, ob die Koalition auch irgendwo etwas einspare. Nein, mache man nicht, sagt Torsten Schneider, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Damit ist Schneider übrigens ganz auf Linie mit dem Finanzsenator selbst, der seit seinem Amtsantritt im Dezember die Devise ausgibt: „Gespart wird nicht.“ Auch wenn das manche Beteiligte anders gesehen haben.