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Die Emporkömmlinge

Wenn es schon nicht die Champions League geworden ist, soll es nun wenigstens der Pokalsieg gegen RB Leipzig sein: Der SC Freiburg unter Trainer Christian Streich ist das Team der Saison

Aus Leverkusen Andreas Morbach

Vincenzo Grifo war wieder einigermaßen bei Kräften, als er im Untergeschoss des Leverkusener Stadions aufkreuzte und sich mit ausgestrecktem linkem Arm erst mal an einem Betonpfeiler abstützte. Zwanzig Minuten zuvor hatte Freiburgs Offensivspieler noch völlig ausgepumpt im Mittelkreis gelegen, musste sich von einem Mannschaftskollegen die Krämpfe aus den Beinen drücken lassen. Und nun sprach er betont gelassen über den Duft der Königsklasse, an dem der aufstrebende Klub aus dem Breisgau am Samstag ein paar Minuten lang geschnuppert hatte.

„Natürlich will man das Maximum“, rekapitulierte Grifo die Momente, als Leipzig in Bielefeld zurücklag und dem Sport-Club nach eigenem Ausgleich in der Bay­arena nur noch ein Tor zur Eintrittskarte in die begehrte Königsklasse fehlte. Doch weil die aufgeregten Gäste, als die Rasenballsportler aus Sachsen bei der Arminia längst zum 1:1-Endstand getroffen hatten, ganz am Schluss auch ihren Keeper Mark Flekken vor das Leverkusener Tor schickten, war das SC-Tor verwaist – was der Argentinier Exequiel Palacios in der siebten Minute der Nachspielzeit von der Mittellinie aus zum 2:1-Sieg für die Rheinländer nutzte.

Statt des Sprungs auf Platz vier sackte Freiburg in der Endabrechnung auf Rang sechs ab. „Das ärgert mich, dass Union Berlin noch an uns vorbeigezogen ist. Und es freut mich, dass wir im nächsten Jahr europäisch spielen“, beschrieb Cheftrainer Christian Streich die gemischten Gefühle, mit denen die Schwarzwälder die Liga abgeschlossen haben. Und die sie bis zum nächsten Samstag nach zuletzt zwei Niederlagen nun so sortieren müssen, um am kommenden Samstag fürs erste Pokalfinale in der Klubgeschichte gewappnet zu sein.

Der Gegner im Berliner Olympiastadion ist dann derselbe, dem das Streich-Ensemble am Wochenende im Fernduell unterlag. Und beim Gedanken an den Showdown im nationalen Cup gegen Leipzig glänzen die Augen von Vincenzo Grifo voller Vorfreude. „Wir können mega stolz sein“, betont Freiburgs nimmermüder Antreiber, der weiß: „Das Pokalfinale ist das Highlight des Jahres, für manche sogar das Highlight in ihrer Karriere. Was willst du mehr.“

„Es tut ein bisschen weh“

Christian Günter, Kapitän des SC Freiburg

Beim Unterfangen, die Vereinsvitrine mit der ersten Trophäe überhaupt zu bestücken, wünscht sich der Übungsleiter vor allem eine Qualitätssteigerung bei eigenem Ballbesitz. Mit dem Spiel der SC-Kicker gegen den Ball war Streich in Leverkusen schon mal völlig d’accord. Zudem lobte der 56-Jährige die „extrem stabile Leistung“ seiner Mannschaft über die Saison hinweg und betonte: „Jedem, der mir im letzten Sommer etwas von einer möglichen Champions-League-Teilnahme erzählt hätte, hätte ich gesagt, dass er spinnt.“

Überaus angetan war Streich auch, bei der Verabschiedung von Rudi Völler live dabei gewesen zu sein. Schon vor dem Anpfiff lief er extra in die Coaching Zone, um Leverkusens Sport-Geschäftsführer dort intensiv zu herzen. Nach Spiel­ende kletterte Völler mit seinen 62 Jahren dann zu den Bayer-Fans auf den Zaun und stimmte mit dem Mikrofon in der Hand ein „Uffta, Uffta, Tätärä“ an. „Er ist“, kommentierte Augenzeuge Christian Streich später, „einfach ein wahnsinnig cooler Typ.“ Wahnsinnig cool fände es der waschechte Badener auch, RB Leipzig bei dessen dritter Finalteilnahme seit 2019 mit seinem Team die dritte Niederlage zu verpassen. Als „extrem ärgerlich“ bezeichnete Mittelfeldakteur Nicolas Höfler den Plumpser vom vierten auf den sechsten Platz in den vergangenen zwei Spielen zwar. Und auch Christian Günter bekannte: „Es tut ein bisschen weh.“ Zugleich aber richtete Freiburgs Kapitän den Blick nach vorne und prophezeite: „Wenn wir mit der Energie auf den Platz gehen wie hier und vorne ein bisschen zielstrebiger sind, werden wir Leipzig das Leben schwer machen.“

Für die Einstimmung auf das Pokal-Finale hat der alte Hase Vincenzo Grifo auch schon einen Profitipp parat. „Wichtig ist, nicht zu aufgeregt zu sein“, erklärte der 29-Jährige, der als Zeugnis seiner positiven Einstellung noch kurz über die frisch verpasste Königsklasse referierte und locker erwähnte: „Jetzt ist es für uns nicht das Bernabéu oder ein Auftritt bei Juventus Turin. Dafür reisen wir in Europa eben woanders hin.“

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