Feministische „Take back the night“-Demo: Wütendes Stop-and-go

Die feministische Walpurgisnachtdemo in Berlin ist so ausdrucksstark wie zäh. Immer wieder kommt es zu Rangeleien mit der Polizei.

Auf dem durch Begalos erleuchteten Transparent steht: "We share the pain. We share the rage".

Wütend, aber schön: Take back the night-Demo in der Walpurgisnacht in Berlin Foto: Erik Peter

BERLIN taz | Es kommt selten vor, dass politische Demos in ihrem optischen und akustischen Ausdruck an die Blöcke von Fußballultras heranreichen. Bei der feministischen „Take back the night“-Demo am Samstagabend in Berlin war das anders. Es war schon dunkel geworden, als sich der Zug von etwa 3.000 FLINTA – Männer waren nicht erwünscht – ohne Lautsprecherwagen, aber unter lauten Parolen am Mauerpark in Bewegung setzte. Kurz darauf erhellten Bengalos die von einem schwarzen Block angeführte Demo und verliehen dem halbtransparenten Hochtranspi ganz vorne einen besonderen Glanz.

„We share the pain. We share the rage“ stand dort neben dem Bild einer mit Sturmhaube Vermummten – „Vereint im Schmerz und unserer Wut“, so hatte auch die Parole gelautet, die zuvor auf der Auftaktkundgebung ausgegeben wurde. Das Motiv Wut – es zog sich durch die Demo: auf die Benachteiligungen, die FLINTA erleben, also das Patriarchat und den Kapitalismus, die Polizei. Nichts wolle man sich gefallen lassen an diesem Abend, keine dummen Sprüche, keine Festnahmen.

Bei so viel zur Schau gestellter Offensivität konnte das riesige Polizeiaufgebot in dieser Walpurgisnacht nicht überraschen. Von Beginn an wurde der erste Block, der sich durch Transparente und einige Schirme so gut wie möglich abzuschirmen versuchte, von einem engen Spalier begleitet. Einigen Teil­neh­me­r:in­nen war das wohl zu nah: Schon nach wenigen hundert Metern flogen vereinzelte Flaschen in Richtung der Behelmten.

Als die Demo die engen Straßen Prenzlauer Bergs verlassen und in Höhe des U-Bahnhofs Bernauer Straße auf die Brunnenstraße einbiegen wollte, wurde sie zum ersten Mal gestoppt. Minutenlang drückten Po­li­zis­t:in­nen gegen die erste Reihe, über einen Lautsprecher erfolgte die Aufforderung, das Abbrennen von Pyrotechnik und das Werfen von Gegenständen zu unterlassen.

Keine normale Demo mehr möglich

Später in den wieder engen Straßen zwischen Rosenthaler Platz und Alexanderplatz wiederholte sich das Schauspiel noch ein halbes dutzend Mal. Meist nur wegen des Gerangels mit jenen Beamt:innen, die auf Zentimeter nah am Zug waren, musste die Demo anhalten. Die Teil­neh­me­r:in­nen büßten dabei einen Teil ihrer Transparente und auch einige Mitstreiter:innen, die herausgezogen wurden, ein. Von einer normal verlaufenden Demo konnte angesichts dieses Stop-and-go längst keine Rede mehr sein.

Die Demo passierte das ehemalige Wombat's Hostel, das am Morgen besetzt worden war, aus dem nun aber schon wieder Po­li­zis­t:in­nen guckten. Nachdem der Eigentümer, eine spanische Hotelkette, Verhandlungen abgelehnt hatte, war das Gebäude am Nachmittag geräumt worden – sechs Be­set­ze­r:in­nen wurden im Haus festgesetzt.

Kurz darauf, als der Alex in Sichtweite geriet, beendeten die Ver­an­stal­te­r:in­nen sie Demo mitten im Lauf. Das Überraschungsmoment sollte die Teil­neh­me­r:in­nen wohl motivieren, unkontrollierbar in alle Richtungen auszuströmen. Viele aber waren selbst überrascht. Im hinteren Teil, hunderte Meter entfernt und ohne jede Polizeibegleitung, nutzte ein Teil der Teil­neh­me­r:in­nen die Möglichkeit, mitgebrachte Steine und Farbbeutel auf die Schaufenster teurer und unliebsamer Geschäfte zu entsorgen, ehe die angesprinteten Polizeieinheiten ihre Übermacht unter Beweis stellten und die Menge zerstreuten.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Schon am Sonntagabend werden sich wohl viele der Beteiligten wiedersehen – auf der ähnlich wütend aufgeladenen Revolutionären 1. Mai-Demonstration.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.