Eigene Anschlüsse in jeder Zelle: Telefonieren wird Privatsache

Bisher konnten Gefangene in Hamburg meist nur öffentlich auf dem Flur mit Angehörigen telefonieren. Jetzt kriegen sie eigene Geräte in den Haftraum.

Ein Gefangener telefoniert im Flur einer Haftanstalt. In Hamburg sollen Gefangene bald Telefone auf die Zellen bekommen

Keine Privatsphäre beim Sprechen mit den Liebsten: So sah Telefonieren in Gefängnissen bisher aus Foto: Swen Pfoertner/dpa

BREMEN taz | Seit Freitag gibt's Privatsphäre – oder zumindest schon mal ein Versprechen darauf: Alle Gefangenen in Hamburger Haftanstalten sollen bald aus ihrer Zelle heraus telefonieren können. Bisher gab es in Hamburg in den meisten Gefängnissen nur die Flurtelefonie: Ihre Gespräche mit Angehörigen und Freunden, aber auch Anfragen etwa beim Rechtsanwalt können die meisten Gefangenen also bisher nur dort führen, wo alle mithören können.

Mit der Haftraumtelefonie, dem eigenen Anschluss in jeder Zelle, soll das besser werden. „Zeitgemäß“ findet das die justizpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion. „In Haft ist es schwierig, soziale Kontakte nach außen aufrechtzuerhalten“, sagt sie. „Gerade für die Zeit nach der Haftentlassung sind stabile soziale Netzwerke aber ein wichtiger Faktor, um erneuter Straffälligkeit vorzubeugen.“ Auch das Konfliktpotenzial im Knast soll sinken: Die teils langen Wartezeiten auf ein freies Flurtelefon fallen weg.

Das bisherige Modell, öffentlich auf den Fluren zu telefonieren, ist keine Hamburger Besonderheit, sondern war lange bundesweit üblich. Langsam findet aber ein Umdenken statt: In Mecklenburg-Vorpommern etwa können nach Informationen der Zeit bereits über 50 Prozent der Gefangenen Haftraumtelefonie nutzen. In Niedersachsen bieten einzelne Justizvollzugsanstalten, wie die in Bremervörde, den Gefangenen das eigene Telefon auf Antrag hin an.

In Hamburg hatte 2021 hatte das Justizressort die Konzession für die Telefonie in den Gefängnissen neu ausgeschrieben, ein neuer Anbieter wurde Ende August verpflichtet. Zum 1. April ist jetzt die Telekommunikation vom alten Anbieter Telio Communications auf Gerdes Communications übergegangen.

Neuer Anbieter bringt Verbesserungen

Die Vergabe fand damals unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, weder die Justizdeputation, noch die Gefangenenvertretung oder Anstaltsbeiräte waren von der Behörde beteiligt worden; was das Telefonieren die Gefangenen in Zukunft kosten sollte, wurde mit Verweis auf „Geschäftsgeheimnisse“ weder den Betroffenen noch der Öffentlichkeit verraten. Linke und Anstaltsbeiräte kritisierten das Vorgehen.

Doch abseits der Intransparenz bringt die Vergabe tatsächlich einige Vorteile für Gefangene mit sich. Neben der Haftraumtelefonie betrifft das auch den Preis: Die genauen Telefonkosten sind zwar immer noch nicht öffentlich bekannt, aber sie liegen laut Stefan Martinstetter aus dem Vorstand der Gerdes AG um 40 Prozent unter den Kosten des umstrittenen bisherigen Anbieters Telio.

Eine Verbindung in die ganze Welt gibt es auch mit den neuen Haftraumtelefonen nicht: Anrufen können die Gefangenen von dort nur geprüfte und genehmigte Nummern; so soll verhindert werden, dass der eigene Telefonanschluss für illegale Aktivitäten genutzt wird. 30 Nummern können Gefangene auf Antrag freischalten lassen.

Urs Tabbert, justizpolitischer Sprecher der SPD, geht davon aus, dass die Haftraumtelefonie damit sogar aus Perspektive der Haftanstalten die Sicherheit erhöht: „Durch voreingestellte und geprüfte Nummern erhöht sich die Kontrolle über externe Kontakte, ohne das Kommunikationsbedürfnis der Gefangenen zu beschneiden“, schreibt er in einer Pressemitteilung.

Gute Erfahrungen mit privaten Anschlüssen

Ganz neu ist die Haftraumtelefonie für Hamburg nicht: In der JVA Billstedt waren bereits Erfahrungen gesammelt worden. 99 Zellen verfügten dort im Rahmen eines Pilotprojekts schon über eigene Telefonanschlüsse.

Und 2020 konnten Gefangene in anderen Anstalten zusätzlich über eigene Handys verfügen, um die reduzierten Besuchsmöglichkeiten während der Pandemie zu kompensieren. Als „große Erleichterung“ beschrieb das ein Gefangener gegenüber der taz. Die Zahl der Verstöße gegen die Nutzungsregeln blieb überschaubar.

Bis wann die Anschlüsse in den einzelnen Zellen tatsächlich verlegt sind, kann das Justizressort am Freitag noch nicht mitteilen. Klar ist schon: Für jugendliche Straftäter wird es noch länger dauern; die Jugendhaftanstalt in Hahnöfersand soll in den nächsten vier Jahren in ein neues Gefängnis in Billwerder umziehen, erst dort wird auch für die jungen Gefangenen Telefonieren in der eigenen Zelle möglich sein.

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