Ukraine-Kriege und Alltag: Zwischen Fronten und Flucht

Frühere Teil­neh­me­r*in­nen von Osteuropa-Workshops der taz Panter Stiftung berichten von den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf ihren Alltag.

Eine Frau hät eine Katze in den Armen und steht vor einem zertsörten haus

Bucha, am 4.4.: Ira Gavriluk steht vor den Trümmern ihres Hauses, in dem ihr Mann und ihr Bruder getötet wurden Foto: Rodrigo Abd/ap

Als der Krieg in der Ukraine begann, saß ich mit meiner Kollegin und guten Freundin Anastasia Magasowa in einer Bar in Berlin-Kreuzberg. Sie sagte mir, sie werde in die Ukraine fahren. Nicht nur, weil ihre Heimat nach ihr ruft, sondern auch weil sie Journalistin aus Leidenschaft ist. Sie kann nicht schweigen, wenn unschuldige Menschen in der Ukraine durch russische Kriegsverbrecher sterben.

Schon bald kam aus Kiew ihr erster Tagebucheintrag: „Erst kürzlich war ich an so einem Ort, an dem eine Rakete herunterkam. Sie fiel in den Hof einer Wohnsiedlung. Mit einem Schlag waren sechs Häuser zerstört: vier fünfstöckige Wohnhäuser, eine Schule und ein Kindergarten. Innerhalb einer Sekunde war damit das alte Leben von Hunderten Menschen einfach weg.“

Seit dem 24. Februar 2022 führt Russlands Präsident Wladimir Putin gegen die Ukraine einen erbarmungslosen Krieg. Doch der tobt auch an der Heimatfront in Russland: Mutige Stimmen, die gegen das Regime aufbegehren, werden gewaltsam zum Schweigen gebracht – mehr als über 15.000 Menschen, die gegen den Krieg demonstriert haben, sind bereits festgenommen worden.

Der Kreml hat die freie Meinungsäußerung unabhängiger Medien unterdrückt, zahlreiche Jour­na­lis­t:in­nen haben das Land bereits verlassen oder wurden als „ausländische Agenten“ gesperrt.

Der 3. Mai wurde 1993 von der UN-Vollversammlung zum Welttag der Pressefreiheit erklärt. Die taz panter stiftung hat aus diesem Anlass gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen eine Beilage für die taz erstellt. Wir blicken auf die Lage der Presse in Russland und Kuba, in Frankreich und Myanmar, in Afghanistan, im Irak und in der Türkei. Aber wir schauen auch auf den Journalismus in Deutschland in Zeiten von Crowdfunding und Fake News. Und wir fragen Günter Wallraff, warum er sich für den Wikileaks-Gründer Julian Assange einsetzt.

Alle Texte erscheinen online unter taz.de/pressefreiheit

Einblicke aus erster Hand

So beschreibt die Journalistin Olga Lizunkova in ihrem Tagebuch die Situation in ihrem Land: „Wenn du die Macht unterstützt, bist du ein Watnik (ein Schimpfwort für Russen, die an die Propaganda ihrer Regierung glauben; d. Red.). Wenn du die Staatsmacht nicht unterstützt, bist du ein Verräter. Wenn du nicht protestierst, bist du ein Feigling. Und wenn du auf die Straße gehst, dann bist du ein Verbrecher.“

Auch in vielen Staaten der früheren Sowjetunion wie Belarus, Armenien und Georgien verfolgen Jour­na­lis­t:in­nen die jüngsten Entwicklungen mit wachsender Unruhe. Was kommt noch auf uns zu? Sie berichten mehrmals wöchentlich in der taz-Kolumne „Krieg und Frieden“ und liefern mit ihren Tagebuchberichten Einblicke aus erster Hand.

Sie schreiben von der Front, von ihrem Fluchtweg, zwischen Bomben und Leichen, aus dem Keller und dem Bunker und aus ihren Wohnungen in Moskau und Minsk. Und sie warten jeden Tag darauf, dass „es eine Hausdurchsuchung gibt und sie vor Gericht kommen“.

Sie wissen, dass ihre Stimmen gehört werden

Doch sie können nicht anders und kennen es auch nicht anders. Sie wollen schreiben. Für sie ist es eine Art Therapie zu wissen, dass ihre Stimmen gehört und gelesen werden.

Finanziert wird das Projekt durch die taz Panter Stiftung. Seit 2011 führt sie Workshops zur Stärkung der Pressefreiheit und Zivilgesellschaft mit Jour­na­lis­t:in­nen aus Osteuropa durch. Einige von ihnen publizieren regelmäßig in der taz und melden sich auch jetzt wieder zu Wort. Aber nicht nur sie.

Das osteuropäische Netzwerk hat sich gerade stark erweitert – für den Frieden und gegen den Krieg. Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA im September als Dokumentation heraus.

Der Autor leitet das Projekt der taz Panter Stiftung „Tagebuch zum Krieg und Frieden“. Online auf Russisch und Deutsch:

taz.de/KriegFrieden.

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Jahrgang 1984. Er hat in Jerewan, Mainz und Berlin Orientalistik; Geschichts- und Kulturwissenschaften studiert und in Berlin über Integration, Migration und Medienwahrnehmung promoviert. Er schreibt vor allem für die taz, ZEIT-ONLINE und für das Journal von Amnesty International. Er ist als Reporter in Osteuropa unterwegs und leitet die Osteuropa-Projekte der taz Panter Stiftung. Herausgeber des Buches "Krieg und Frieden. Ein Tagebuch" (September 2022).

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Eine Illustration. Ein riesiger Stift, der in ein aufgeschlagenes Buch schreibt.

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Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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