Polen und der EuGH: Niederlage für polnischen Richter

Ein regierungsnaher polnischer Richter zweifelt an der Unabhängigkeit seiner altgedienten Kollegen. Der EuGH folgt der Argumentation nicht.

Gebäude des Europäischen Gerichtshof mit der Aufschrift

Europäischer Gerichtshof in Luxemburg Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa

FREIBURG taz | Es bestehen keine Bedenken gegen die Unabhängigkeit polnischer Richter, die vor der dortigen Justizreform ins Amt kamen. Dies hat an diesem Dienstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem ungewöhnlichen Verfahren mit vertauschten Rollen entschieden.

Seit 2015 versucht die polnische PiS-Regierung mit einer groß angelegten Justizreform nach und nach die Kontrolle über die Justiz zu gewinnen. Dagegen wehren sich die „alten“ Richter, indem sie die Legitimation der „neuen“ Richter in Frage stellen. Oft legen die „alten“ Richter dem EuGH Verfahren vor, damit dieser die Justizreform an den rechtsstaatlichen Vorgaben des EU-Rechts prüft. Schon mehrfach hat der EuGH die polnischen Reformen beanstandet, zum Beispiel die neue Disziplinarkammer für Richter.

Diesmal aber hat ein „neuer“ Richter, der als Einzelrichter am Obersten Gericht Polens tätig ist, dem EuGH Fragen zur Unabhängigkeit der „alten“ Richter vorgelegt. Der Bürgerbeauftragte Polens wies ausdrücklich darauf hin, dass dieser „neue“ Richter zuvor für den Justizminister Zbiegnew Ziobro gearbeitet habe und seine Ernennung hoch umstritten gewesen sei.

Dieser „neue“ Richter musste über ein Urteil des Berufungsgerichts Breslau entscheiden. Es ging um einen Kreditvertrag mit der Getin Noble Bank, wobei der konkrete Fall nebensächlich ist. Vielmehr stellte dieser „neue“ Richter die Unabhängigkeit der drei Breslauer Richter in Frage, die den Fall in der Vorinstanz entschieden hatten und bat den EuGH um Prüfung.

Zwei Bedenken

Konkret äußerte der „neue“ Richter zwei Bedenken: So sei einer der Breslauer Richter noch vor 1990, also in der kommunistischen Zeit Polens, ins Amt gekommen. Die beiden anderen wurden zwischen 2000 und 2018 vom Landesjustizrat (KRS) ausgewählt, als dieser angeblich verfassungswidrig besetzt war. Der vorlegende „neue“ Richter bezog sich hier auf eine Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts von 2017 (als dieses schon PiS-freundlich ausgerichtet war).

Doch das – eher durchsichtige – Manöver hatte keinen Erfolg. Der EuGH konnte bei allen drei Breslauer Richtern keine Hinweise auf fehlende Unabhängigkeit finden. Der EuGH erinnerte daran, dass beim EU-Beitritt Polens 2004 bekannt war, dass manche Richter schon zu kommunistischer Zeit ihren Amtseid geschworen hatten – ohne dass damals jemand Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit gesehen hätte. Auch heute gebe es keine konkreten Hinweise auf Probleme mit deren Unabhängigkeit.

Zudem sei Kritik des polnischen Verfassungsgerichts am alten Landesjustizrat eher technischer Natur gewesen. Die Probleme mit unterschiedlichen Amtszeiten von dessen Mitgliedern seien nicht geeignet, in der Öffentlichkeit Zweifel an der Unabhängigkeit der vor 2018 ausgewählten Richter zu erzeugen. Kleiner Trost für den vorlegenden „neuen“ Richter: Der EuGH akzeptierte auch ihn als normalen Richter und äußerte keine Zweifel an seiner Unabhängigkeit. Az.: C-132/20

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.