Rechtskurs in Uruguay: Jubel in hellblau, Frust in pink

In Uruguay bestätigt ein Referendum 135 konservative Gesetzesreformen. Damit rückt das Land unter Präsident Lacalle Pou weiter nach rechts.

Wahlzettel in pink (Si) und in hellblaut (No) liegen auf einem Tisch

Wahlzettel in Uruguays Hauptstadt Montevideo am Sonntag Foto: Matilde Campodonico/ap

BUENOS AIRES taz | Uruguays konservativer Präsident Luis Lacalle Pou ist gestärkt aus einer Volksabstimmung über seine Regierungspolitik hervorgegangen. Am Sonntag votierten 51,2 Prozent der Stimmberechtigten mit einem Nein für die Beibehaltung bereits beschlossener Gesetze. 48,8 Prozent stimmten mit einem Ja für deren Aufhebung.

Zur Abstimmung standen 135 Gesetzesartikel, mit denen Lacalle Pou das Land auf einen Rechtskurs brachte. Das Ergebnis hat einen bindenden Charakter. Rund 2,7 Millionen Stimmberechtigte waren aufgefordert, mit einen hellblauen Nein- oder einem pinkfarbenen Ja-Stimmzettel ihre Entscheidung zum Ausdruck zu bringen. Da Wahlpflicht herrschte, steckten 85 Prozent von ihnen ihre Umschläge in die Urnen.

Das Handicap für Pink: Umschläge ohne Stimmzettel oder mit beiden Stimmzetteln wurden als hellblaues Nein gewertet. Das waren immerhin fast 29.000 Stimmen.

Rollback nach 15 Jahren linker Regierungen

Luis Lacalle Pou hatte das Präsidentenamt im März 2020 übernommen und die fünfzehnjährige Regierungszeit der linken Frente Amplio mit den Präsidenten Tabaré Vázquez (2005-2010 und 2015-2020) und José Mujica (2010-2015) beendet. Kaum im Amt, legte er das sogenannte Ley de Urgente Consideración vor. Dieses Dringlichkeitsgesetz umfasst 476 Artikel und war im Eilverfahren durch den Kongress gebracht worden.

Auch wenn es wirtschaftspolitisch keinen radikalen Umschwung bedeutete, wurde die reduzierte Rolle des Staates, die drohende Privatisierung der Bildung, die Schwächung der Staatsunternehmen sowie die Einschränkungen beim Streik- und Versammlungsrecht kritisiert.

In Sachen Sicherheit wurden Haftstrafen sowie das Strafrecht für Minderjährige verschärft, der Polizei erweiterte Befugnisse eingeräumt und das Sekretariat eines Inlandsgeheimdienstes eingerichtet.

Widerstand regte sich vor allem beim Gewerkschaftsdachverband PIT-CNT. Die Verschärfung des Streik- und Arbeitsrechts war den Gewerkschaftern ein Dorn im Auge. Mittels einer Volksabstimmung sollten diese Teile des Gesetzespakets außer Kraft gesetzt werden, so die Idee.

Abstimmung wurde zum Votum über Präsidentschaft

„Wir wollten den breitesten Konsens erzielen und die 135 Artikel machten es möglich, die Frente Amplio und andere wichtige Organisationen einzubeziehen“, erklärte Gewerkschaftsführer Fernando Gamberra im Januar 2021 das Vorgehen.

Innerhalb von sechs Monaten wurden mehr als die 672.000 notwendigen Unterschriften gesammelt. Nach deren Prüfung gab das Nationale Wahlgericht grünes Licht für die Ansetzung der Volksbefragung. Zwar standen die 135 Artikel als Gesamtpaket zur Abstimmung, sich inhaltlich einen Überblick zu verschaffen, fiel dennoch schwer. Rasch drehte sich das Ganze zu einer generellen Abstimmung über die Politik des Präsidenten.

Geschickt nahm Lacalle Pou den Faden auf. Der Präsident setzte auf seinen Rückhalt in der Bevölkerung. Eine klare Mehrheit beurteilte seine Amtsführung zumindest nicht negativ. Die Zustimmungswerte für seine Amtsführung pendeln eng um die 50-Prozent-Marke.

Schon in Umfragen hatte Regierungsposition knapp geführt

„Wir müssen einen von den Bürgern beschlossenen Regierungsplan umsetzen“, warb er, warnte vor einem Rückschlag und davor, dass ein „Regieren ohne diese 135 Artikel“ nicht dasselbe sei. In den Umfragen hatte das Nein knapp vorne gelegen, allerdings verhinderte die hohe Zahl der Unentschlossenen eine eindeutige Vorhersage.

Dass der FA-Vorsitzende Fernando Pereira noch vor der Abstimmung Regierung und Opposition „ungeachtet des Ergebnisses“ dazu aufrief, „einen Konsens zu suchen, der Gesetze ermöglicht, die mehr als nur die Hälfte der Bevölkerung unterstützen“, kann nach der Stimmenauszählung als die Vorwegnahme einer erwarteten Niederlage interpretiert werden.

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