Neuer Fraktionschef der Berliner Grünen: Graf kommt doch noch zum Zug

Die Fraktion wählt Werner Graf zu ihrem Co-Vorsitzenden. Er folgt auf Antje Kapek, die überraschend zurück getreten war. Silke Gebel bleibt im Amt.

Ein Mann blick in die Kamera

Soll jetzt den Ton angeben in der Berliner Grünenfraktion: Werner Graf Foto: dpa

Unverhofft kommt oft – zumindest was die hochrangigen Personalentscheidungen der Berliner Grünen angeht, stimmt dieser Satz. Die Wahl von Werner Graf zum Co-Fraktionschef am Dienstag macht da keine Ausnahme. Der langjährige Parteichef holte immerhin 68 Prozent der Stimmen aus der stark verjüngten Abgeordnetenhausfraktion. Allerdings hatte er auch keine Gegenkandidat*in.

Der Posten war nach dem überraschenden Rücktritt von Antje Kapek frei geworden. Sie hatte ihren Schritt mit der zu großen beruflichen und privaten Belastung durch Pandemie, Wahlkampf und Politikalltag begründet. Die Position von Silke Gebel, der zweiten Fraktionschefin, stand nicht zur Abstimmung.

Graf macht damit ein grünes Personaltableau komplett, das vor eineinhalb Jahren kaum jemand absehen konnte. Mit Bettina Jarasch wurde eine Hinterbänklerin aus dem Abgeordnetenhaus erst Spitzenkandidatin, dann Supersenatorin für Umwelt, Verkehr, Klima- und Verbraucherschutz. Mit Ulrike Gote übernahm mitten in der vierten Welle der Coronapandemie eine in Berlin unbekannte Politikerin aus Kassel eine weitere herausfordernde Position in der Exekutive.

Die im Dezember gewählten beiden neuen Parteivorsitzenden Susanne Mertens und Philmon Ghirmai wiederum gehen jetzt erstmal auf Tour durch die Parteirunden, um sich bekannt zu machen. Und Graf hatte sich eigentlich schon mit Sacharbeit in der Fraktion zum Thema Mobilität und Verkehrswende abgefunden.

Das war bekanntermaßen nicht sein Plan. Der 1980 in Bayern geborene Politiker hatte zusammen mit Nina Stahr die Berliner Grünen von 2016 bis 2021 geführt. Doch dann zog es beide in die Parlamente – Stahr in den Bundestag, Graf ins Abgeordnetenhaus – und auch bei Berlins Grünen ist es nicht erlaubt, als Parteichef zugleich Parlamentarier zu sein.

Graf galt fortan als heißer Kandidat für einen Posten im Senat, vorzugsweise den des Verkehrs- und Umweltsenators. Doch der parteiinterne Machtkampf führte dazu, dass Jarasch diese Position übernahm. Der vorherige Landeschef stand plötzlich ohne herausragendes Amt da – und wurde damit zumindest kurzzeitig zu einem weiteren Beispiel für den oft undankbaren Umgang der Grünen mit ihrem (einstigen) Führungspersonal.

Nun hat es doch noch geklappt. Dass Graf die nötigen Kompetenzen für die Fraktionsführung hat, ist unbestritten: Bereits mit 20 wurde er Bundessprecher, sprich Chef, der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend; als Co-Chef der Partei managte er die Verdoppelung der Mitgliederzahlen seit 2016 auf inzwischen mehr als 12.000 und hielt den grünen Se­na­to­r*in­nen den Rücken frei. Denn insbesondere die damalige Verkehrssenatorin Regine Günther lieferte vielen Basisgrünen nur unzureichende Erfolge.

Wie harmoniert das Duo Gebel/Graf?

Ein Spaziergang wird der neue Posten für Graf dennoch nicht. Zum einen muss sich erst zeigen, wie das Zusammenspiel des erklärten Parteilinken aus Kreuzberg mit der Reala Gebel aus Mitte funktioniert.

Und auch die Zusammenarbeit mit der in diese Legislatur auf insgesamt 32 Mitglieder angewachsenen Fraktion ist eine Herausforderung. Denn nicht nur an der Spitze werden die Grünen von vielen neuen Gesichtern geprägt. Die Wahl im September 2021 spülte dank gewonnener Direktmandate zahlreiche junge Abgeordnete ins Parlament – im Gegenzug kam so manche erfahrene Po­li­ti­ke­r*in auf der Landesliste nicht zum Zug. Diese Fraktion zu formen und ihr eine Rolle im Machtgefüge mit der rot-grün-roten Regierung zuzuweisen, wird nun Grafs Aufgabe sein.

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Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.

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