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Fake-Anzeigen bei TelegramÄrzte unter Impfpass-Verdacht

Werbung für Fake-Impfnachweise führt auf Telegram zu kruden Ergebnissen: Mediziner*in­nen geraten offenbar unverschuldet unter Betrugsverdacht.

Unter der Lupe: Impfpässe bei der Kriminalpolizei in Dillingen im Januar 2022 Foto: Stefan Puchner/dpa

Berlin taz | Telegram hat sich als Plattform für Kleinkriminelle bewährt, da hier einfach und anonym ein besonders großer Kreis von InteressentInnen für illegale Produkte angeworben werden kann. So floriert dort auch der Handel mit gefälschten Impfpässen.

Dabei werben „Dr. Jürgen“, „impftante“ und dergleichen eindeutige Fakeprofile – teilweise mit eindeutig als solche erkennbaren Stockfotos im weißen Arztkittel als Profilbild – um Kund*innen. Oft steckt auch einfach ein Bot hinter den Profilen, erkennbar an Antworten mit fragwürdiger Grammatik.

Mittendrin: eine Liste mit acht Telegramprofilen, an die man sich wenden könne, wenn man einen Impfpass erhalten wolle. Die zugehörige Impfung werde ins Waschbecken gekippt. 450 Euro soll der Impfnachweis samt QR-Code kosten. So jedenfalls heißt es in dem Beitrag.

Der Handel mit gefälschten Impfpässen scheint in Deutschland zu boomen: Erst am Dienstag starteten Polizei und Staatsanwaltschaft eine Razzia in vier Bundesländern. Eine Woche zuvor hatten 260 Polizisten 70 Wohnungen und eine Firma im Rheinland wegen gefälschter Impfpässe durchsucht. Die Polizei in Köln hat sogar eine eigene Ermittlungsgruppe namens „Stempel“ wegen des Delikts eingerichtet. Bald dürfte sie weniger zu tun haben. Denn mit den ab kommenden Sonntag bundesweit geltenden Coronaregeln entfällt vielfach die Notwendigkeit eines Impfpasses.

„Ärztin für Aufklärung“

Unter den acht Telegram-Profilen fällt sofort ein Name ins Auge, der komplett ausgeschrieben ist. Ein Klick führt zum Kanal einer aktiven Impfgegnerin: Carola Javid-Kistel. Sie hat sich als „Ärztin für Aufklärung“ einen Namen gemacht, steht mit Rolf Kron und Daniel Langhans auf Rednerbühnen und bezeichnet in ihrem Kanal Maßnahmen wie die Kontaktnachverfolgung als „kranke Pläne“ und die Impfung als „genetisches Experiment“. Ihr folgen knapp 21.000 Menschen.

Auch findet sich in Javid-Kistels Kanal das besagte Angebot einer „privaten Impfsprechstunde“: Ein Beleg für dessen Echtheit? Führt also die gesamte Liste zu echten Ärzt*innen, die in der Impfgegner*innen-Szene aktiv sind? Und wie kommt es, dass gegen die Ärzt*innen, die hier unter Klarnamen auftreten, bisher nicht ermittelt wird? Per Klick verbergen sich auch hinter anonymisierten Namen wie “Dr. K“ die vollen Namen von Ärz­t*in­nen aus der gesamten Bundesrepublik.

Direkt gefragt antwortet Javid-Kistel anders als erwartet. Sie betont zwar in einer Mail, die sie später ausführlich hinterherschickt, dass sie sich niemals an Impfkampagnen beteiligen werde, auch wenn man ihr eine Pistole auf die Brust setze.

Doch gleichzeitig besteht sie darauf, niemals Impfpässe zu fälschen: „Dieses Angebot ist definitiv nicht von mir und wurde von einem Fake-Account von mir erstellt, wie sie leider immer wieder im Umlauf sind!!! Ich hatte das gestern in meinem Kanal richtiggestellt, dass ich niemals zu solchen Straftaten aufrufen würde und mich absolut davon distanziere und jeden davor warne, solche dubiosen Angebote zu nutzen!“

Ärzte nicht auf Telegram aktiv

Mehrfach habe sie solche Profile schon gemeldet, manche seien schon gelöscht worden, erklärt sie. „Das“ gehe nun schon seit mehr als einem Jahr so; dennoch gebe es immer neue Fake-Profile, weil man ihr schaden wolle. Tatsächlich zeigt ein erneuter Blick in ihren Telegram-Kanal, dass man nur besonders geduldig an dass Ende des von ihr geteilten Fake-Impfpass-Angebots scrollen muss, um ihre Warnung zu finden.

Ein weiterer Check der ominösen Liste ergibt: Die übrigen Ärz­t*in­nen – zumindest die vier, die antworten – sind selbst gar nicht auf Telegram aktiv. Dementsprechend reagieren sie auch auf die Anfrage: „Wir werden umgehend rechtliche Schritte einleiten“, erklärt die Stuttgarter Ärztin Bettina Widmaier und ergänzt: „Wir standen auch schon im Kontakt mit der Polizei, da gefälschte Impfpässe im Umlauf sind, die mit einem gefälschten Stempel im Namen unserer Praxis gestempelt wurden.“ Susanne Götz möchte ebenfalls Anzeige erstatten: „Ich bin entsetzt, wütend und fühle mich ohnmächtig“, schreibt die Frankfurter Hausärztin. Auch Cathrin Klaus aus Berlin betont: „Ich distanziere mich entschieden gegen diesen Inhalt und Abbildungen.“ Sie habe bereits mehr als 5.000 Impfungen verabreicht, sagt sie. Wie ihre Kol­le­g*in­nen erklärt sie, über keinen Telegram-Account zu verfügen. Und dass sie Anzeige erstatten werde.

Nur Geertje und Klaus Sprenger zeigen sich nicht überrascht. Bereits am 27. Januar hätten sie Anzeige wegen Verleumdung erstattet, sie nennen sogar die zuständige Dienststelle der Dortmunder Polizei. Sie hätten in ihrer Praxis bereits mehr als 7.000 Impfungen verabreicht. Erfahren hätten sie von dem Beitrag auf Telegram durch eine anonyme Anfrage per Mail, ob sie denn einen gefälschten Impfpass ausstellen würden.

Die Pressestelle der Polizei verweist für den Sachstand weiter zur Staatsanwaltschaft. Dort die Auskunft: Das Verfahren sei am 14. Februar eingestellt worden, da kein Täter habe ermittelt werden können. Wenig Hoffnung also für die drei weiteren Betroffenen, die nach dem Hinweis per Presseanfrage ebenfalls Anzeige erstattet haben.

Keine Rückmeldung von der Polizei

Götz etwa hat bis zum 17. März keine Rückmeldung von der Polizei zum Sachstand ihrer Anzeige erhalten, die Staatsanwaltschaften Berlin und Frankfurt haben die jeweiligen Anzeigen bislang nicht vorliegen und können auch generell nicht sagen, wie viele Verfahren wegen Impfpassfälschungen eingeleitet worden seien. Die Begründung lautet überall einheitlich: „Dies wird nicht gesondert erfasst.“

Ob hier vorschnell kapituliert wird? Laut der Europäischen Kommission muss aus gültigen QR-Codes zumindest die ausstellende Stelle auslesbar sein, die wiederum zu den Be­trü­ge­r*in­nen führen könnte. Daher verzichten wohl einige Fäl­sche­r*in­nen auch explizit auf das Ausstellen digitaler Zertifikate; es würde sie zu einfach überführbar machen.

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1 Kommentar

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  • Es gehört ja schon seit Jahren zum guten Ton die Konkurrenz beim Finanzamt fälschlich anzuschwärzen - warum also nicht mal ein Fakeprofil aufmachen um Menschen in Mißkredit zu bringen.