Lobbyist über Handel mit Ukraine: „Der Warenfluss funktioniert noch“
Noch läuft der Handel zwischen Deutschland und der Ukraine, doch beim Bezahlen gebe es Probleme, sagt der Lobbyist Alexander Markus.
taz: Herr Markus, wird noch zwischen Deutschland und der Ukraine gehandelt?
Alexander Markus: Der Warenfluss funktioniert noch. Wo es ein Problem gibt: Die Fremdwährungsbörse funktioniert nicht mehr. Wenn man die Landeswährung Hrywnja hat, kann man keine Fremdwährung mehr einkaufen. Das heißt, wenn man was aus Deutschland kaufen will, muss man die Fremdwährungsbestände schon auf dem eigenen Konto haben. Oder man bekommt einen Warenkredit.
Welche Branchen betrifft das besonders?
Das betrifft alle Branchen. Ganz konkret zum Beispiel die Agrarholdings, die relevante Beiträge zur Lebensmittelsicherheit weltweit beitragen in den Bereichen Getreide, Raps, Mais, aber auch zum Beispiel Beeren. Und wenn die jetzt kein Saatgut mehr einkaufen können oder keine Pflanzenschutzmittel, wird das natürlich Auswirkungen auf deren Ernte im nächsten oder in diesem Jahr haben.
Können die EU oder Deutschland das kompensieren oder unterstützen?
Das kann ich im Moment schwer beurteilen. Was wir vorschlagen, ist, dass man die Unternehmen unterstützt, die in der Ukraine investiert haben und deren Werke teilweise geschlossen werden müssen, weil es zu gefährlich ist, zur Arbeit zu kommen. Wenn die Männer eingezogen werden, muss man nach ukrainischem Recht weiter die Gehälter zahlen. Die fühlen sich weiter in der Verantwortung für ihre Mitarbeiter, auch wenn diese nicht arbeiten können, haben also die Kosten auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite keine Einkünfte.
Funktioniert der Export aus der Ukraine nach Deutschland denn noch?
Der funktioniert noch. Man kann auch das Geld bekommen. Aber es gibt das gleiche Problem: Ich bin mir nicht sicher, ob man das noch verkaufen kann. Man bekommt Euro oder Dollar und muss das in Landeswährung eintauschen. Und wenn die Fremdwährungsbörse nicht funktioniert, ist da dann Stop.
Welche Güter importiert Deutschland aus der Ukraine?
Wenn man sich den Import aus der Ukraine nach Deutschland anguckt, stehen da an erster Stelle die landwirtschaftlichen Güter, dann Automobilzulieferteile und Elektronikzulieferteile an zweiter Stelle. Und an dritter Stelle stehen Commodities wie zum Beispiel Stahl und Eisenerze.
Und wenn bei VW die ersten Bänder stillstehen, weil die Zulieferung aus der Ukraine nicht funktioniert, woran liegt das dann genau?
Wir haben in der Ukraine eine Automobilindustrie mit circa 30.000 Arbeitsplätzen, die von deutschen Automobilzulieferern geschaffen wurden. Das meiste, was dort hergestellt wird, sind Kabelnetze. Und diese Kabelnetze werden dann genau nach dem Auto, was bestellt wurde, gefertigt. Das ist einerseits eine nicht einfach neu aufzubauende Fertigung. Andererseits haben wir die Situation in der Ukraine schon seit einer ganzen Zeit, das heißt die Automobilzulieferer sind immer schon angehalten gewesen, sogenannte Spiegelproduktionen an anderer Stelle aufzubauen, falls etwas passiert. Wie schnell denen das gelingt, wenn sie die Leute nicht haben, weil die männliche Bevölkerung vielleicht kämpfen muss, kann ich allerdings nicht abschätzen.
ist Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer.
Wie geht es für die AHK jetzt weiter?
Wir werden daran arbeiten, den Mitarbeitern der Mitgliedsunternehmen, wenn sie nach Deutschland kommen, eine Perspektive zu geben: Einmal, dass sie schnell eine Arbeitserlaubnis bekommen, und dann indem wir gucken, wie die Leute in Lohn und Brot kommen, damit sie nicht tatenlos irgendwo in Flüchtlingsunterkünften sitzen. Wenn gleichzeitig der Krieg in der Ukraine ist, nehmen die Menschen daraus psychisch Schaden.
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