Evangelikale bei Montagsdemos in Verden: Bibelfest gegen Impfung und Nato

Bei den Verdener „Lichterspaziergängen“ kommen Impfgegner, Russlandfreunde und christliche Fundamentalisten zusammen.

Menschen mit Atemschutzmasken gehen durchd ie Verdener Altstadt mit Schilder, auf denen steht: "Du bist der Sturm, du bist das Licht" oder "Wir bleiben standhaft"

Religiöser Einschlag beim Verdener „Lichterspaziergang“ Foto: Pressedienst Nord/Imago

VERDEN taz | Bei den „Lichterspaziergängen“ in Verden an der Aller gehen seit Wochen auffällig viele „Querdenkende“ und Coronaleugnende gegen die staatlichen Pandemiemaßnahmen auf die Straße. Sie tragen Schilder mit Botschaften: „Mein Körper, meine Entscheidung“, „Hinterfrage alles“ oder „Kinder aus dem Genexperiment raushalten“. Immer wieder Montags schmücken sie sich in der Dunkelheit mit bunten Lichterketten. Am vergangenen Montag sprachen sich die Wortführer nicht nur gegen Impfungen aus, sie äußerten sich auch zum Krieg in der Ukraine – mit klarer Positionierung.

In der niedersächsischen Stadt nahe Bremen sagte der Bauunternehmer Heiko Rübke aus Langwedel, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe auf Twitter Mitleid für die Kinder in der Ukraine geäußert. Von den rund 300 Protestierenden erklang ein höhnisches „Ooochh!“. Rübke fuhr fort, die Ereignisse dort seien weit schlimmer, „als das was unsere Kinder erleben“. Es freue ihn, dass „er empathisch für die Kinder dort ist, ich hätt's nur auch gerne für unsere Kinder!“ Freudiges Gejohle. Der Redner beklagte auch die „gebückte Haltung“ der Deutschen und ihrer Regierung.

Ein weiterer Sprecher auf der Bühne stellte „aus gegebenen Anlass in der Ukraine“ zwei Standardwerke des Verschwörungsmilieus vor: „Fremdbestimmt“ von Thorsten Schulte und „Schwarzbuch EU und NATO – Warum die Welt keinen Frieden findet“ von Wolfgang Effenberger. Schulte gehörte zu den von der AfD eingeladenen Störern im Bundestag bei der Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz im November 2020. Ex-Offizier Effenberger schrieb im vom Verfasssungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführten Magazins Compact und trat im pro-russischen Youtube-Kanal Druschba FM auf. Der anschließende Applaus offenbarte: In Verden waren viele Putin-Versteher versammelt.

Ein paar Wochen vorher, am Valentinstag, war beim Verdener Lichterspaziergang der Prediger Johann Hesse aufgetreten. Den Protest in der Stadt trägt auch ein evangelikales Milieu vor Ort mit. „Wir werden aufstehen und Widerstand leisten“, rief der schmächtige Mann mit kräftiger Stimme bei seinem bei Youtube veröffentlichten Auftritt in Verden: „Wir lieben unsere Grundrechte, sie sind Abwehrrechte.“

Gegen Teufel und Coronamaßnahmen

Der christliche Aktivist, der bei BibelTV moderiert, spricht auch mal von „der Lüge von der Gleichwertigkeit der Religionen“ und weiß, „der Teufel“ wolle „uns glauben lassen, dass es nur dieses eine Leben gibt“. Doch „es gibt ein anderes Reich“, aber das „will der Satan Dir verschließen!“

Der bibeltreue Hesse predigt in Gleichnissen, plädiert dabei nicht nur gegen Impfungen, da diese mit Zelllinien von abgetriebenen Föten entwickelt worden seien, sondern auch gegen jegliche G-Regeln und allgemeine Schutzmaßnahmen wie Maskentragen oder Abstand halten im Gottesdienst.

Hesses Predigten werden im Netz veröffentlicht. In einer zitiert er den Chemnitzer Pfarrer Theo Lehmann, der schon bei Pegida und der Jungen Alternative Sachsen auftrat: „Was wir brauchen, sind KZ-fähige Christen!“ Und es heiß weiter: „Wir brauchen keinen christlichen Kuschelclub, sondern wir brauchen Christen, die bereit sind auch in die Konzentrationslager zu gehen und zu leiden für Christus“. Denn ein „Wohlfühlchristentum“ komme „nicht weit“. Hesse gehe auf die Straße, weil er nicht in einem Land leben wolle, in dem „fachliche Kritik mundtot“ gemacht werde.

Sympathien für homophoben Bremer Pfarrer Latzel

Hesses Sympathien gehören einem umstrittenen Glaubensbruder. Er setzt sich öffentlich ein für Olaf Latzel, Pfarrer der St. Martini-Gemeinde in Bremen, der mit öffentlichen Statements und Petitionen radikale Positionen gegen Homosexualität einnimmt. Hesse selbst predigt in Latzels Gemeinde. Seine auf einem Rittergut ansässige Verdener Familie gehört zum Landadel, der Vater engagiert sich für Glauben und AfD.

Beruflich wird Hesse als Geschäftsführer einer religiösen Einrichtung in Walsrode-Düshorn benannt: dem „Gemeindehilfsbund“. Die gemeinnützige Organisation will „Christen in Not“ helfen, bietet Seelsorge und vor allem Veranstaltungen an. Auf einer vom „Gemeindehilfsbund“ betriebenen Internetseite werden homophobe, antifeministische und islamophobe Texte verbreitet.

Hesse organisiert Fahrten nach Berlin zu Märschen „für das Leben“ von Abtreibungsgegnern. Thema ist zur Zeit auch der mögliche Wegfall des Werbeverbotes für Abtreibungen, öffentlich beklagt Hesse den „Massenmord im Mutterleib“, spricht von „73 Millionen getöteten Kindern“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.