„Freiheit wird immer Tyrannei besiegen“

In seiner Rede zur Lage der Nation demonstriert der US-Präsident die Einigkeit des Westens gegen Russland. Doch in den USA sinken Bidens Umfragewerte

Versucht sich auch an optimistischen Tönen: US-Präsident Joe Biden bei seiner ersten „State of the Union“-Rede vor dem Kongress in Washington Foto: Fo­to:Eve­lyn Hockstein/ap

Aus Washington Hansjürgen Mai

Der Westen steht vereint gegen Russland und dessen Präsident Wladimir Putin. Dies erklärte US-Präsident Joe Biden am Dienstag in seiner ersten Ansprache zur Lage der Nation vor dem US-Kongress. Der amerikanische Staatschef zeigte damit, dass es auch in den Vereinigten Staaten noch immer Themen gibt, bei denen Demokraten und Republikaner am gleichen Strang ziehen. Die Invasion russischer Truppen in die Ukraine ist ein solches Thema. Doch dort hörte die Einigkeit auch schon wieder auf.

„In unserer Geschichte haben wir gelernt, dass wenn Diktatoren nicht für ihre Aggressionen bezahlen, sie mehr Chaos verursachen“, sagte Biden während seiner etwas mehr einstündigen Rede. „Putins Angriff gegen die Ukraine war geplant und ohne Anlass. Er dachte, der Westen und Nato würden nicht reagieren. Und er dachte, er könnte uns hier zu Hause teilen. Putin lag falsch.“

Mit wirtschaftlichen Sanktionen wollen die USA und seine Verbündeten Putin dazu bewegen, die militärische Offensive in der Ukraine zu beenden. Bislang jedoch ohne Erfolg.

„Wir entgegneten Russlands Lügen mit der Wahrheit“, sagte Biden. „Wir fügen Russland Schmerzen zu und unterstützen die Menschen in der Ukraine. Putin ist isolierter in der Welt als jemals zuvor.“

Die Sanktionen des Westens haben bereits zu einem massiven Wertverlust des Rubels geführt. Die Kurswerte an der russischen Börse sind ebenfalls eingebrochen. Russlands Banken wurden vom Weltmarkt ausgeschlossen und russische Oligarchen fürchten um ihren Reichtum. Vorbei seien die Zeiten, in denen es der russischen Elite gestattet war, von einem gewalttätigen Regime zu profitieren, erklärte Biden.

„Zusammen mit unseren europäischen Partnern werden wir eure Jachten, Luxuswohnungen und Privatflugzeuge finden und beschlagnahmen. Wir holen uns eure illegalen Vermögen“, sagte Biden.

Der US-Präsident verkündete zudem in seiner Ansprache, dass die USA ihren Luftraum für russische Maschinen schließen werde. Gleichzeitig unterstrich Biden, dass trotz russischer Attacken auf zivile Einrichtungen in der Ukraine keine US-Soldaten dort zum Einsatz kommen werden. Unterstützung erhalte die ukrainische Regierung um Präsident Wolodimir Selenski in Form von Waffenlieferungen und finanziellen Mitteln in Höhe von mehr als einer Milliarde Dollar, so Biden.

Sollte sich der Krieg jedoch auf Nato-Mitgliedsländer ausweiten, dann würden US-Soldaten an der Seite von anderen Nato-Truppen kämpfen. „Freiheit wird immer über Tyrannei triumphieren“, sagte Biden.

Die Rede des US-Präsidenten war klar in zwei Teile gegliedert. Teil eins beschäftigte sich mit dem Krieg in der Ukraine und dem Zusammenhalt des Westens gegenüber Putin. Im zweiten Akt nahm sich Biden dann den innenpolitischen Problemen des Landes an.

Er warnte seine Mit­bür­ge­r:in­nen erneut davor, dass sich der Konflikt in Osteuropa auch negativ auf die US-Wirtschaft auswirken könnte. Steigende Benzinpreise, Energie- und Heizkosten, sowie Nahrungsmittelkosten machen vielen US-Bürgern allerdings schon jetzt zu schaffen.

Es ist mit ein Grund dafür, warum Bidens Umfragewerte aktuell im Keller sind. Laut einer neuen Politico-Morning-Consult-Umfrage sind nur 41 Prozent aller Ame­ri­ka­ne­r:in­nen mit der Arbeit ihres Präsidenten zufrieden. Ganze 56 Prozent sind hingegen unzufrieden.

Biden weiß, dass seine Umfragewerte aufgrund des desaströsen Truppenabzugs aus Afghanistan und der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie angeschlagen sind. In seiner Rede versuchte er deshalb, die Themen anzusprechen, die in der Öffentlichkeit große Unterstützung finden, wie die Senkung von Medikamentenkosten oder den Kampf gegen die Kriminalität.

„Der Polizei die Finanzierung zu entziehen, ist nicht die Antwort. Die Antwort ist es, die Polizei zu finanzieren und die nötigen Ressourcen und Trainingsbedingungen zu schaffen, damit sie unsere Gemeinden beschützen können“, sagte Biden.

„Wir entgegneten Russlands Lügen mit der Wahrheit“

US-Präsident Joe Biden

Es war einer der wenigen Moment während Bidens Rede, bei derer sich die Abgeordneten und Senatoren aus beiden Parteilagern aus ihren Sitzen erhoben und Beifall leisteten. Biden plädierte auch dafür, die Grenzen des Landes zu sichern und das Migrationssystem zu überarbeiten.

Die republikanischen Abgeordneten Marjorie Taylor Greene und Lauren Boebert unterbrachen darauf den Präsidenten mit „Bau die Mauer“-Rufen. Diese Schreie verhallten allerdings recht schnell wieder. Beide Abgeordneten gehören zum rechten Flügel der Partei und sind überzeugte Trump-Anhänger.

Biden beendete seine Rede mit einem Appell für die Demokratie. „Unsere Union ist stark, weil ihr, meine amerikanischen Mitbürger:innen, stark seid“, sagte er. „Jetzt ist unser Moment, um sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen und diese zu überwinden.“

Für seine erste „State of the Union“-Ansprache erhielt Biden in den sozialen und in den traditionellen Medien viel Zusprache.

Re­pu­bli­ka­ne­r:in­nen attackieren Biden hingegen. Der texanische Senator Ted Cruz erklärte, dass die Ansprache keinen Bezug zur Realität hätte. „Biden gestand zwar viele der Probleme ein, die wir in diesem Land haben, doch er leugnete jegliche Verantwortung und Schuld“, so Cruz gegenüber Fox News.

Bis zu den Kongresswahlen sind es noch knapp acht Monate. Die Demokraten bangen um ihre Mehrheiten im Senat und Repräsentantenhaus. Sollten sie die Kontrolle über eine der beiden Kammern verlieren, dürfte es für Biden in den dann verbleibenden zwei Jahren bis zur nächsten Präsidentenwahl noch schwieriger werden, seine Agenda durchzusetzen. Doch bis dahin gab Biden am Dienstag seinen Mit­bür­ger:­in­nen eine Botschaft mit: Amerikas Zukunft ist vielversprechend.