Hoher Preis für Putin

Nach Putins Angriff auf die Ukraine kündigt die EU weitere Sanktionen an. Ein Ausschluss aus dem internationalen Zahlungsverkehr (Swift) ist nicht vorgesehen

Streit um Energie: Rohre, Ventile und Druckanzeiger einer Gasleitung bei Uschhorod in der Ukraine Foto: Gleb Garanich/reuters

Von Eric Bonse
und Felix Lee

Russland muss nach dem Militärangriff auf die Ukraine mit noch nie da gewesenen Sanktionen rechnen. Dies sagten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Außenbeauftragte Josep Borrell am Donnerstag in Brüssel. Die Maßnahmen sind mit den USA, Großbritannien und anderen Verbündeten abgesprochen und sollen am Abend bei einem Krisengipfel der EU auf den Weg gebracht werden.

Von der Leyen erklärte, die Sanktionen zielten auf strategische Sektoren der russischen Wirtschaft und blockierten den Zugang zu wichtigen Technologien und Märkten. Es gehe darum, den Kreml zu bestrafen, die russische Wirtschaft zu schwächen und die Kriegsfähigkeit des Landes zu mindern. Nun komme das schärfste und härteste Sanktionspaket, das man je umgesetzt habe, sagte Borrell. Putin werde einen „hohen Preis“ zahlen, heißt es in Brüssel.

Details wurden zunächst nicht bekannt. Allerdings arbeitet von der Leyen, die sich mehr und mehr in die Pose einer europäischen Verteidigungsministerin wirft, seit Wochen an weiteren Maßnahmen. Geplant ist unter anderem, Russland von den europäischen Finanzmärkten abzuschneiden und den Export von Halbleitern, künstlicher Intelligenz und anderen kritischen Wirtschaftsgütern zu verbieten.

„Das schärfste und härteste Sanktionspaket, das man je umgesetzt hat“

Josep Borrell

Eine Sperre beim internationalen Finanzdienstleister Swift, der seinen Sitz in der Nähe von Brüssel hat und EU-Recht unterliegt, ist vorerst aber nicht geplant. Dagegen hatte unter anderem Deutschland schwere Bedenken erhoben: Es ist fraglich, wie man ohne Swift die Rechnungen für russisches Gas bezahlen soll. Dabei wäre die Abtrennung Russlands vom internationalen Zahlungssystem eine äußerst wirkungsvolle Sanktion. Über Swift wickeln weltweit fast alle Banken ihre Finanzgeschäfte unter­einander ab. Sollte das System für sämtliche russische Banken abgeschaltet werden, könnten sie keine Geschäfte mit dem Ausland mehr tätigen. Das würde praktisch jedes russische Unternehmen treffen, denn auch der Zahlungsverkehr innerhalb Russlands würde auf diese Weise erheblich gestört werden.

Zwar könnte China, das sich als eine der wenigen großen Volkswirtschaften nicht gegen Russland stellt und keine Sanktionen verhängt hat, einen Ausweg bieten. Denn China verfügt über eine finanzielle Parallelwelt: die Zahlungsabwicklung in Yuan. Derzeit laufen 17 Prozent des Handels zwischen China und Russland in Yuan. Doch der Löwenanteil des Handels zwischen beiden Ländern wird auch weiterhin über Dollar und Euro ausgemacht. Ein Swift-Ausschluss würde der russischen Wirtschaft also auch trotz chinesischer Unterstützung erheblichen Schaden anrichten.

EU-Sanktionen im Energiesektor soll es vorerst ebenfalls nicht geben. Neben Deutschland hatte davor auch Italien gewarnt. Die EU solle schließlich keine Energiekrise riskieren. Dabei ist das Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) in einer Simultationsrechnung zu einem auf den ersten Blick überraschenden Ergebnis gekommen. Den Ökonomen zufolge würde ein Stopp der Gasimporte „die wirtschaftlich gravierendsten Folgen haben“. Russlands Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde um 2,9 Prozent einbrechen. Deutschlands BIP dagegen würde sogar leicht um 0,1 Prozent zunehmen, schreiben die Ökonomen. Ebenso würde das BIP der EU minimal steigen. Grund für das Plus sei, dass die westlichen Verbündeten die fehlenden Importe Russlands durch Produkte der Bündnispartner ersetzen würden und hier Deutschland besonders wettbewerbsfähig ist. Im Falle eines Stopps der Gas­-Einfuhren aus Russland hätte Deutschland beispielsweise bei der energieintensiven Produktion und Verarbeitung von Metallen einen Kostenvorteil, „weil sein Energiemix nur zu verhältnismäßig geringen Teilen aus russischem Gas besteht“. Der russische Gaskonzern Gazprom kündigte an, dass er die Versorgung Europas aufrechterhalten wolle – auch mit Pipelines in der Ukraine.

Ursula von der Leyen will Putin bestrafen Foto: reuters

Worüber die EU-Vertreter*innen in Brüssel am Donnerstag zudem beraten haben, sind Finanzhilfen für EU-Staaten und Industriebranchen, die besonders von den nun geplanten Sanktionen betroffen sind. Dafür hatte sich vor allem Österreich starkgemacht.

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