Nach Volksabstimmung in Schweiz: Das Mediensystem braucht Streit

Das Presseförderungsgesetz in der Schweiz ist gescheitert. Diese Form der wirklichen Mitbestimmung würde auch dem deutschen Mediensystem gut tun.

Plakat gegen das schweizerische Mediengesetz

Haben sich durchgesetzt: Die Gegner des umstrittenen Mediengesetzes in der Schweiz Foto: Manuel Geisser/imago

Jesses, schon wieder eine Woche vorbei! Und Lorenz Wolf…? Aber lassen wir das, auch wenn es weiterhin ein Skandal ist.

Gucken wir lieber in die Schweiz. Da wurde am Sonntag über ein immerhin 150 Millionen Franken (umgerechnet ca. 143 Millionen Euro) schweres zusätzliches jährliches Finanzspritzchen für die eidgenössische Presselandschaft per Volksabstimmung entschieden. „Stimmvolk“, so wunderbar nennt die Schweiz ihre Wahlberechtigten.

Und dieses Stimmvolk hat das von der Schweizer Bundesregierung vorgeschlagene Förderpaket mit knapp 55 Prozent abgelehnt. Das Ganze sollte der Pressevielfalt und Vielsprachigkeit dienen, da in der Schweiz Zeitungen auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Räteromanisch erscheinen.

Doch die Gegner des Vorhabens konnten sich mit ihrer Argumentation durchsetzen. Die Förderung, die auch Großverlage üppig bedient hätte, gehe am eigentlichen Ziel vorbei. Sie würde eine noch stärkere Staatsabhängigkeit der Medien bedeuten und gleiche einem „Raubzug wohlhabender Verlagshäuser auf die Staatskasse“. Vielleicht können die Geg­ne­r*in­nen der Presseförderung hierzulande diese Phrase schon mal mitschreiben, schließlich geht bei uns die Diskussion auch bald wieder los.

Wie im Bonbon-Laden

Direkte Presse- pardon Vertriebsförderung hat jedenfalls der deutsche Zeitungsverband BDZV am Montag bei seiner Delegiertentagung auch mal wieder gefordert, statt wie erhofft Mathias Döpfner als BDZV-Präsidenten zu stürzen. Letztes Jahr war ein erster Anlauf der alten GroKo in Sachen Presseförderung krachend an sich selbst gescheitert. Denn es war bis zuletzt unklar, wie das Ganze funktionieren sollte.

Ganz unabhängig von der konkreten Frage Presseförderung ja/nein/vielleicht zeigt die Schweizer Entscheidung daher vor allem eins: Es ist gut, wenn über ein Mediensystem gestritten und diskutiert wird. Und zwar innerhalb und von der Gesellschaft, für die es da ist. Oder, hallo Öffentlich-Rechtliche, zumindest da zu sein vorgibt. Wenn das Stimmvolk dann auch wirklich mitbestimmen kann, gelingen diese gesellschaftliche Debatten. Das hatte sich in der Schweiz schon 2018 bei der Abstimmung über die Zukunft der öffentlich-rechtlichen SRG und ihrer Finanzierung gezeigt – und jetzt wieder bei der Presseförderung.

„Ist das dann so wie in einem Bonbon-Laden, viele bunte, süße und saure, weiche oder harte Dropse bzw. Zältlis. Aber wie und wo findet die Debatte denn bei uns statt, bei der alle nach ihrem Geschmack entscheiden dürfen?“, fragt die naschende Mitbewohnerin. Denn hierzulande fordern Politik wie Medien zwar die Diskussion, diskutieren dann aber nur unter sich und lassen das Stimmvolk in der Bonbon-Tüte.

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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