Deutschland wappnet sich für Unterbringung

1.800 Geflüchtete erreichen die Bundesrepublik. Sie sollen für drei Jahre Schutz erhalten

Von Konrad Litschko

Immer mehr Geflüchtete aus der Ukraine erreichen inzwischen auch Deutschland. Ein Sprecher von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach am Montag von 1.800 Geflüchteten, die seit Kriegsbeginn hierzulande eingereist seien. Das bleibt ein Bruchteil – laut UN sind 500.000 Menschen aus der Ukraine auf der Flucht.

Mit wie vielen ukrainischen Geflüchteten in Deutschland zu rechnen ist, sei weiter nicht abschätzbar, erklärte Faeser zuletzt. Den Behörden ist zudem unklar, wie viele Geflüchtete bereits bei Bekannten oder Verwandten in Deutschland untergekommen sind. Ukrai­ne­r:in­nen dürfen in den Schengenraum für 90 Tage visafrei einreisen, wenn sie einen biometrischen Pass haben – Deutschland verlängerte diese Frist nun auf 180 Tage.

Die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen der EU hatten sich am Sonntagabend geeinigt, geflüchteten Ukrai­ne­r:in­nen für bis zu drei Jahre einen vorübergehenden Schutzstatus zu gewähren. Sie müssen damit kein langwieriges Asylverfahren durchlaufen. Der Europäische Rat soll dies am Donnerstag absegnen. Damit wird eine EU-Richtlinie von 2001 erstmals wieder angewendet, damals als Reaktion auf den Balkankrieg eingeführt.

Faeser lobte den „Schulterschluss“: Dass sich alle EU-Mitgliedsstaaten zur Aufnahme bereit erklärten, sei „eine starke Antwort Europas auf das furchtbare Leid, das Putin mit seinem verbrecherischen Angriffskrieg verursacht“. Auch Faeser rechnet damit, dass die meisten Ukrai­ne­r:in­nen vorerst in Nachbarländern bleiben, allen voran Polen. Dem Land bot sie bereits Hilfen an: Medizin oder Personal und Logistik des Technischen Hilfswerks.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) betonte am Montag, die EU und Deutschland würden alle ukrainischen Geflüchteten aufnehmen, auch jene ohne ukrainischen Pass. Man sei mit anderen Staaten an der Ukraine präsent, um zu helfen. Baer­bock versprach auch weitere humanitäre Hilfe. 16 Millionen Euro seien bereits auf dem Weg, dazu kämen nun noch 5 Millionen Euro über den Humanitären UN-Hilfsfonds und 10 Millionen Euro für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz.

Der Bund und die Länder riefen Kommunen auf, in Erstaufnahmeeinrichtungen, Jugendherbergen oder städtischen Wohnungsgesellschaften vorsorglich Plätze freizuhalten. Krankenhäuser wurden aufgerufen, Geflüchteten Coronatests oder Impfungen anzubieten. Bisher bleiben die Zahlen aber überschaubar – offenbar weil viele Ukrai­ne­r:in­nen tatsächlich privat unterkommen. So meldete Berlin am Wochenende 235 aus der Ukraine Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen. In Sachsen waren es am Montag 41, in Brandenburg 16. Betont wurde aber, größere Kapazitäten zu haben. So war in Sachsen die Hälfte der 4.600 Unterkunftsplätze frei, in Brandenburg auch die Hälfte von 3.200.

Daneben liefen in vielen deutschen Städten Sammlungen von Hilfsgütern an, Konvois fuhren an die ukrainische Grenze. Das Deutsche Rote Kreuz kündigte den Aufbau einer Versorgungslinie mit Hilfsgütern an, ein erster Transport sollte am Dienstag ins polnische Lublin aufbrechen. Die Bahn erklärte, dass Geflüchtete mit ukrainischem Pass kostenlos alle Fernzüge aus Polen bis Berlin nutzen können. Die Evangelische Stadtmission Freiburg teilte mit, dass am Sonntag 157 Kinder und 32 Erwachsene aus einem evakuierten Kinderheim nahe Kiew nach 70-stündiger Busfahrt in der Stadt angekommen seien. Man sei „glücklich und erleichtert“.