Kinoempfehlungen für Berlin: Langsam, aber beharrlich

Für James Bennings Beschreibung Amerikas braucht man viel Geduld. Ebenso für „Drive My Car“ von Ryûsuke Hamaguchi und den Harry Potter Marathon.

Szene aus „Drive My Car“ (Regie: Ryûsuke Hamaguchi)

„Drive My Car“ (Regie: Ryûsuke Hamaguchi) Foto: peripherfilm

Für die Filme des amerikanischen Avantgardisten James Benning benötigt man durchaus Geduld. Meist in starren Einstellungen und Totalen von exakt gleicher Länge gedreht, handeln seine Filme von Natur-, Kultur- Industrie- und Agrarlandschaften, vom nicht immer auf den ersten Blick sichtbaren Menschen und seinen Eingriffen in die Strukturen unserer Erde.

Ein Stück weit sind seine Doku-Essays auch eine Form des Heimatfilms – schließlich geht es darin meistens um die USA (an der Ruhr und am Panamakanal war Benning allerdings auch schon mal mit seiner Kamera). „The United States of America“ heißt denn auch sein jüngstes Werk, das jetzt im Forum bei der Berlinale seine Welturaufführung feiert.

Den Filmtitel gab es in seiner Filmographie schon einmal, 1975 für einen knapp halbstündigen Kurzfilm über eine Reise quer durch die USA von Ost nach West, mit einer auf dem Rücksitz eines Autos fest montierten Kamera, die nach vorn durch die Windschutzscheibe blickte.

Nun also eine Art Update: jeweils eine Einstellung von zweieinhalb Minuten Länge (das bewährte Benning-Format) aus jeweils einem US-amerikanischen Bundesstaat. Das klingt spannend, mal sehen, was uns der Film über den gegenwärtigen Zustand Amerikas zu erzählen vermag (11. 2., 21.30 Uhr, Delphi, 12. 2., 14 Uhr, silent green Kulturquartier).

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Viel Zeit nimmt sich auch mein Favorit des vergangenen Jahres: „Drive My Car“ des japanischen Regisseurs Ryûsuke Hamaguchi (zurzeit gerade Mitglied der Berlinale-Jury) nutzt diese Zeit, um in einer ebenso komplexen wie allgemeinverständlichen Weise ein Geflecht aus Anspielungen, Assoziationen und Metaphern zu spinnen in einer Geschichte, die von Verlust und persönlichen seelischen Verletzungen handelt und der Frage, wie man den Geistern der Vergangenheit am besten begegnet.

Basierend auf einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami erzählt der Film vom Leben und Wirken des Theaterregisseurs Yûsuke Kafuku (Hidetoshi Nishijima), der den plötzlichen Tod seiner Frau verarbeiten muss – sowie die Tatsache, dass sie ihn mit anderen Männern betrogen hat. Bei einem Theaterfestival trifft er auf Misaki (Tôko Miura), die von der Festivalleitung als Fahrerin engagiert wurde.

Während langer Autofahrten erfährt die aufmerksame Misaki stückweise immer mehr vom Seelenzustand Yûsukes, tut schließlich ihre eigenen Ansichten dazu kund und wird auch von ihrer eigenen dramatischen Lebensgeschichte erzählen.

So arbeitet der Film langsam, aber beharrlich an der Idee, dass man sich anderen Menschen öffnen und die eigenen Verletzungen zugeben können sollte (10. 2., 15. 30 Uhr, Il Kino; 11.2., 12.2., 20 Uhr; Zukunft, 12.2., 14.30 Uhr, fsk-Kino, 12.2., 13.2., 15.20 Uhr, Wolf Kino; 13.2., 20 Uhr, 15.2., 15 Uhr, 16.2., 16.30 Uhr, Sputnik Kino; 14.2., 15.2., 11 Uhr, B-ware! Ladenkino).

Eine ganz andere Art von Kino wird beim „24 Hour Harry Potter Marathon“ geboten: alle acht Verfilmungen (2001-2011) der Fantasy-Romane von Joanne K. Rowling am Stück, von den kinderkompatiblen Familienfilmen zu Beginn bis zum düsteren Ende, wenn im Kampf gegen den bösen Lord Voldemort in der Zauberschule Hogwarts kein Stein mehr auf dem anderen bleibt.

Der beste Film ist „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ (2004) des mexikanischen Regisseurs Alfonso Cuarón – wirklich geheimnisvoll und leicht verstörend. Wenn es in anderen Filmen um pubertäre Liebesnöte oder das Quidditch-Spielen geht, kann man problemlos auch mal ein Nickerchen machen. Hoffentlich wird das Frühstück nicht von ausgebeuteten Hauselfen serviert! (11. 2., 18 Uhr, Babylon Mitte, sowohl in Originalfassung als auch in deutscher Fassung).

Walchensee ist ein hübscher Ort in den bayerischen Alpen, aber nicht das Zentrum der Zivilisation. Doch die Dokumentation „Walchensee Forever“, in der Regisseurin Janna Ji Wonders die Geschichte der Frauen ihrer Familie erzählt, führt hinaus in die weite Welt: San Francisco, Mexiko, Indien, Münchener Kommune. Freiheitsstreben mit bodenständiger Verwurzelung (10. 2., 19.30 Uhr, 12. 2., 19 Uhr, 13. 2., 17 Uhr, 15. 2., 19.15 Uhr, Filmmuseum Potsdam).

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Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

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