400 Jahre Hafen Bremen-Vegesack: Im Schatten der Düne

Bremen hat den ältesten künstlichen Hafen Deutschlands. Heute fristet er ein Dasein zwischen gescheiterten Großprojekten und Werften für Superreiche.

Illustration: Eine Schere schneidet Hochhäuser und ein Hafenbecken auseinander, in dem große Motoryachten liegen

Die klassische Schere zwischen Arm und Reich Illustration: Sebastian König

BREMEN taz | Es ist ein unscheinbares Becken an der Mündung des Flüsschens Lesum, hinter dem sich ein 16-geschossiges Wohnsilo erhebt, das lange schon zum sozialen Brennpunkt geworden ist. Vielleicht zwei Dutzend Schiffe liegen in diesem Museumshafen, am Rande einer Großbaustelle. Und doch ist das hier in Bremen-Vegesack der erste künstlich angelegte Hafen Deutschlands.

Vor 400 Jahren wurde er in Betrieb genommen, seine Existenz verdankt er noch dem Dreißigjährigen Krieg. Der Ort drumherum, „Fegesacke“, das waren damals nicht mehr als ein paar Häuser. Gebaut haben den Hafen übrigens die Holländer, weil man in Bremen so was seinerzeit noch gar nicht konnte.

Die richtige Stadt war damals schon weit weg: 25 Kilometer sind es von diesem Hafen bis zum Bremer Dom. Doch die Weser, in der hier die Lesum endet, sie versandet. Ob ihres Tiefgangs kamen all die Seeschiffe also nicht mehr bis nach Bremen an die Schlachte, die historische Uferpromenade, wo sich heute eine Kneipe an die andere reiht. Und den Fluss ausbaggern: Das ging erst 250 Jahre später. Stattdessen wurde eben ein Hafen gebaut, damit Frachter nicht in Buchten und Flussarmen die Winter und Unwetter zu überstehen hatten, wo sie zudem Räu­be­r:in­nen ausgeliefert waren.

Es war der Beginn einer langen, ruhmreichen Geschichte, zu der der erste Flussdampfer und die größte Heringsfischerei Europas gehören. Geblieben ist die Lürssen Werft, die am Vegesacker Hafen noch immer ihren Hauptsitz stehen hat.

Wo viel Geld im Spiel ist

Sie verdient ihr Geld mit dem Militär (jüngst wurde ein paar Meter weiter, auf der anderen Flussseite, die „Gorch Fock“ der Bundeswehr zu Ende saniert), aber auch mit Supersuperreichen, die sich hier Motorboote bestellen. Die längste Yacht der Welt etwa kommt von hier, die „Azzam“. Sie gehört dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, ist rund 180 Meter lang und soll ihn gut 500 Millionen Euro gekostet haben.

Wenn man durch die schmale Hafenausfahrt in Vegesack unter der Klappbrücke hindurch hinaus auf die Weser fährt, sieht man gegenüber Abeking & Rasmussen. Traditionsbewusste Segler kriegen bei dem Namen noch immer leuchtende Augen, doch auch hier setzen sie lange schon auf das Militär und Mil­liar­dä­re. Nur eine Nummer kleiner als nebenan bei Lürssen; die längste Yacht, die hier vom Stapel lief, misst keine 100 Meter.

Drüben im Museumshafen ist von all dem Geld wenig angekommen, zumindest nicht so, dass man es sehen könnte. Stattdessen wurde hier jüngst ein riesiges Einkaufs- und Erlebnis­center namens Haven Höövt abgerissen; es ging schon vor zehn Jahren pleite. Dass es doppelt so groß war wie erlaubt, fiel 2003 bei der Eröffnung offenbar niemandem auf. Wahrscheinlich war es dem Bauamt aber einfach nur egal und der großkoalitionären Landesregierung unter Henning Scherf (SPD) ebenso. Weil nach der Pleite der Vulkan-Werft Ende der Neunziger jedes Mittel recht schien, um den siechenden Stadtteil zu retten. Und die Investoren wollten es eben so; sie versprachen Bremen viel.

Wo das Geld fehlt

Andererseits haben die Menschen, die in dem benachbarten trutzburgartigen Koloss, der in den Siebzigern gebauten „Grohner Düne“, leben oder leben müssen, weil anderswo niemand an sie vermietet, eh kaum Geld, um es zu verkonsumieren. Ihr Zuhause am Hafen nennt der Architekturführer „ein warnendes Wahrzeichen“.

Drumherum wollten Politik und Wirtschaft mit einer „Maritimen Meile“ bis vor Kurzem einen Touristenmagneten erschaffen. Mit einer gläsernen Werft, die auch schon lange wieder zu ist und dem Schulschiff „Deutschland“, einem Dreimaster, der jüngst im Streit nach Bremerhaven gezogen ist.

Aber immerhin hat der Kinderspielplatz an der Kaje, gegenüber vom alten Haven Höövt, nun endlich ein neues Spielschiff aus Holz bekommen.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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