SOZIALER BRENNPUNKT: Grohner Düne in Bremen wird „gerettet“.: Schöner Wohnen

Die Stadt Bremen und die Firma Grand City Property investieren Millionen in die Grohner Düne. Rot-Grün ist begeistert, andere reagieren skeptisch.

Wer hier wohnt, ist „automatisch abgestempelt“, sagt einer der Bewohner Wer hier wohnt, ist „automatisch abgestempelt“, sagt einer der Bewohner Foto: Florean Fortescu/ Wikimedia

BREMEN taz| Die Grohner Düne wird gerettet. Wirklich! Sagt jedenfalls der rot-grüne Senat.

Und der ist schon ganz euphorisiert. Er hat nämlich am Dienstag eine Absichtserklärung unterzeichnet, zusammen mit der Grand City Property Ltd. (GCP), dem die Wohnanlage hinter dem Vegesacker Bahnhof gehört. Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) spricht von einem „Riesenschritt“, der grüne Bausenator Joachim Lohse von einer „Erfolgsgeschichte“. Tobias Helfst vom Bremer Erwerbslosenverband (BEV), der viele der oft arbeitslosen MieterInnen der Grohner Düne berät, spricht lieber von „Sonntagsreden“ und „Durchhalteparolen“.

Die „Kooperationsvereinbarung“ zwischen der GCP und der Stadt begründet zwar explizit „keine Leistungsansprüche“. Dennoch will Bremen bis zu 3,5 Millionen Euro investieren. GCP will im Gegenzug bis 2017 alle Fahrstühle und Treppenhäuser sanieren, rund 100 derzeit leer stehende Wohnungen renovieren und die Außenflächen „aufwerten“.

Ein neuer Spielplatz soll gebaut, der Brandschutz verbessert werden. Außerdem verspricht der Vermieter nun eine „zuverlässige Mieterbetreuung“, mit einem Hausverwalter, Sprechstunden, die zwei Mal in der Woche stattfinden und einem Beschwerdemanagement, das rund um die Uhr erreichbar sein soll. Darüber hinaus soll im Erdgeschoss der Wohnanlage auf etwa 90 mietfreien Quadratmetern das SOS Kinderdorf einziehen, auch eine „Zone der Begegnung“ soll im Erdgeschoss noch entstehen – bis 2018.

Die Großwohnanlage auf dem Gelände der „Norddeutschen Steingutfabrik“ wurde von 1969 bis 1973 von der Bremer Treuhand gebaut.

Der ringförmig angelegte 16-geschossige Bau ist bis zu 55 Meter hoch und konzentriert rund 570 Wohnungen.

Seit den Achtzigern gilt die Grohner Düne als „Quartier mit besonderem Entwicklungsbedarf“, 1999 wurde sie ins Förderprogramm „Wohnen in Nachbarschaften“ aufgenommen, 2005 in das Projekt „Soziale Stadt“.

Mindestens 80 Prozent der BewohnerInnen leben von staatlicher Unterstützung, mindestens genauso viele haben einen Migrationshintergrund.

Über die Firma mit Sitz in Zypern hört man im Rathaus nur Gutes: „Das ist keine Heuschrecke“, sagt der Martin Prange, der Beauftragte für Bremen-Nord, GCP wolle sich „dauerhaft engagieren“ und investiere „einen hohen siebenstelligen Betrag“. Die Stadt Bremen will deshalb nun den Fußgängerbereich vor der Grohner Düne umgestalten, die Fußwege der Schulkinder erneuern und die Querung der Straße erleichtern. Außerdem soll ein Sozialarbeiter mit möglichst großer Fremdsprachenkompetenz eingestellt werden. „Geprüft“ wird ferner, ob der große Innenhof der Grohner Düne einen „Concierge“, also eine Art Pförtner bekommen soll. Eingestellt werden könnte dabei aber nur ein Langzeitarbeitsloser – die Stelle würde zu drei Vierteln von der Stadt bezahlt, nur den Rest müsste GCP übernehmen.

Claudia Bernhard, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Linkspartei, kritisiert diese Art der Arbeitsmarktförderung. Die Grohner Düne bräuchte Leute, „die länger bleiben“, sagt sie – vom Amt geförderte Arbeitslose aber seien maximal 24 Monate da. Bernhard erinnerte dabei an den „gescheiterten“ Versuch, einen Sprach- und Kulturvermittler in der Grohner Düne zu etablieren. Zwar sei die Kooperationsvereinbarung „besser als befürchtet“, sagt Bernhard. „Doch das Kernproblem der Grohner Düne wird man damit nicht knacken“.

Dazu gehört, dass die Wohnanlage nicht nur in schlechtem Zustand ist, sondern auch einen schlechten Ruf hat. Bewerbungen mit dieser Adresse seien „chancenlos“, sagt Helfst. Wer hier wohnt, wird „automatisch abgestempelt“, sagte kürzlich einer der Bewohner bei Radio Bremen. Ein anderer nannte die Grohner Düne „ein abgeschlossenes Biotop“. Der zuständige Kontaktpolizist verteidigte indes die BewohnerInnen: Da wohnen oft „einfache Menschen“, sagt er Radio Bremen, aber „sehr viele ordentliche“. Die Grohner Düne sei besser als ihr Ruf, so sein Fazit.

Jedoch sind viele der derzeit vermieteten Wohnungen „in einem fürchterlichen Zustand“, sagen Helfst und Bernhard. Beide fordern „eine Kernsanierung“ der gesamten Immobilie – also nicht nur jener Wohnungen, die momentan leer stehen. Davon ist in der Absichtserklärung aber keine Rede. In der Vergangenheit habe die GCP „wenig gemacht“, so Helfst – „und wenn, dann wurde es schlechter“. So wurden Ventilatoren zur Entlüftung der Badezimmer einfach abgeschaltet, berichtete der BEV im Mai, Fahrstühle funktionierten „wochenlang nicht“, Abfälle seien nicht entfernt, Wasserschäden „nicht beseitigt“ worden. Zugleich habe es „erheblichen Mieterhöhungen“ gegeben – mit dem Hinweis: „Mängel jeglicher Art“ hätten „laut Gesetzgeber“ darauf „keine Auswirkungen“.

Bausenator Lohse sieht an der Grohner Düne schon „einen einladenden und gastlichen Ort“ entstehen und verweist auf die positive Entwicklung in Osterholz-Tenever, wo sich die halbstaatliche Gewoba engagierte. „Ich kann diesen Optimismus nicht teilen“, sagt Helfst.

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