Mutmaßliche Staatsfolter in Syrien: Prozess gegen Alaa M. gestartet

Der Arzt Alaa M. soll in Syrien Regimegegner schwer misshandelt und einen von ihnen getötet haben. Nun begann der Prozess gegen den 36-Jährigen.

Der Angeklagte verstekt sein Gesicht hinter einer Kapuze

Der Angeklagte Alaa M. vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main am 19.01.2022 Foto: Boris Roessler/AFP

FRANKFURT AM MAIN afp | Mit der Verlesung der Anklage hat am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Frankfurt am Main der Prozess gegen einen syrischen Arzt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit begonnen. Zum Auftakt sagte der Angeklagte zu seinem Leben aus. Die Bundesanwaltschaft wirft Alaa M. Folter und die vorsätzliche Tötung eines Gefangenen vor.

Der 36-Jährige soll in den Jahren 2011 und 2012 als Assistenzarzt in einem Armeekrankenhaus und einem Gefängnis des Militärgeheimdiensts im syrischen Homs Gefangene „gefoltert und ihnen schwere körperliche sowie seelische Schäden zugefügt“ haben, wie Oberstaatsanwältin Anna Zabeck sagte. Konkret wirft ihm die Anklage unter anderem Mord, Folter in 18 Fällen, schwere und gefährliche Körperverletzung, schwere Freiheitsberaubung sowie Freiheitsberaubung mit Todesfolge vor.

Die Opfer sollen laut Zabeck der gegen die Staatsführung von Machthaber Baschar al-Assad aufbegehrenden Opposition zugerechnet worden sein. Bei seinen Handlungen soll es sich um „systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung“ gehandelt haben. Sie seien eingebettet gewesen in das Bestreben der syrischen Regierung, die oppositionelle Bewegung im Land niederzuschlagen.

Teilweise soll M. medizinische Instrumente oder Plastikrohre benutzt haben, um Gefangene zu schlagen. Anderen habe er gegen den Kopf oder in den Bauch getreten. Auch gegen bereits bestehende Wunden habe er getreten, teilweise habe er sie angezündet.

Stolz auf neue Foltermethoden

In einem Fall soll er einen Gefangenen mittels einer Injektion „vorsätzlich getötet haben, um damit seine Macht zu demonstrieren und zugleich das Aufbegehren eines Teils der syrischen Bevölkerung zu unterdrücken“, sagte Zabeck. Einem misshandelten Gefangenen, dessen Zustand sich durch einen epileptischen Anfall verschlechterte, soll er im Oktober 2011 eine Tablette gegeben haben. Der Mann zeigte daraufhin keine Reaktion mehr und starb.

Zudem soll er im Sommer 2011 die Genitalien eines 14 oder 15 Jahre alten Jungen mit Alkohol übergossen und angezündet haben. „Damit nahm M. den Verlust der Zeugungsfähigkeit billigend in Kauf“, hieß es in der Anklage. „Im Anschluss prahlte er damit, eine neue Foltermethode erfunden zu haben.“ Auch die Hand eines Gefangenen soll M. mit brennbarer Flüssigkeit übergossen und angezündet haben.

Nach Verlesung der Anklage ließ sich der 36-Jährige zu seiner Person ein. Nach eigenen Angaben kam der zu christlichen Minderheit gehörende M. 2015 mit einem offiziellen Visum nach Deutschland. Seit 2009 habe er in Syrien mit Privatlehrern Deutsch gelernt, weil er in Deutschland habe leben wollen. Ab September 2015 habe er als Arzt in Deutschland arbeiten dürfen. Fragen der Nebenklage ließ er unbeantwortet.

In zehn Fällen hatte der Senat die Anklageschrift aus Rechtsgründen zunächst abgelehnt, weil die Tatvorwürfe nicht hinreichend umgrenzt und nicht konkret genug gefasst seien. Der Bundesgerichtshof ließ am Dienstag jedoch alle Anklagepunkte zu. Der Generalbundesanwalt hatte Beschwerde gegen die Entscheidung des OLG eingelegt. Bis Ende März sind zunächst 15 Verhandlungstage angesetzt.

M.s Verteidigung kündigte am Mittwoch eine Aussage zu den Tatvorwürfen für den nächsten Prozesstag am kommenden Dienstag an. Diese soll zwei Verhandlungstage dauern.

Erst am letzten Donnerstag ging vor dem OLG im reinland-pfälzischen Koblenz der weltweit erste Prozess um Staatsfolter gegen einen früheren Mitarbeiter eines syrischen Geheimdiensts zu Ende. Das Gericht verurteilte Anwar R. wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft.

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