Zuverlässigkeit von Coronatests: Die Tücken der Schnelltests

Antigen-Schnelltests sind nicht zu 100 Prozent zuverlässig. Das hat verschiedene Gründe. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Ein Haufen gebrauchter Schnelltests

Sind Schnelltests bei Geimpften unzuverlässiger als bei Ungeimpften? Foto: Erik Irmer

Wie funktionieren die Schnelltests?

Im Gegensatz zu den genaueren PCR-Tests erkennen die Antigen-Schnelltests nicht das Erbgut des Virus an sich, sondern nur dessen Proteinhülle. „Die mit dem Virus befallenen Zellen werden gespalten und das dabei freigesetzte Nukleoprotein wird nachgewiesen“, erklärt Johannes Knobloch, Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie und Leiter der Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Die unterschiedliche Qualität der Tests, was die Zuverlässigkeit angeht, hänge damit zusammen, wie gut der jeweilige Hersteller es geschafft hat, das Zusammenspiel von Pufferlösung und Reagenzie auf der Testkartusche auszutarieren. Je besser, desto zuverlässiger weist der Test das Protein nach.

Warum schlagen die Tests häufig noch nicht an, obwohl der:­die Pa­ti­en­t:in schon hoch­infektiös ist?

Knobloch erklärt dieses Phänomen folgendermaßen: „Damit ein Antigentest anschlägt, braucht es einen Überschuss des Nukleoproteins.“ Dieser Überschuss entstehe aber in der Regel erst ein paar Tage nach Beginn der Infektion. Nämlich dann, wenn die von dem Sars-CoV-2-Virus befallenen Schleimhautzellen kaputt gehen und dabei große Mengen des zerstörten Virusmaterials freisetzen.

Doch auch unabhängig davon sind Schnelltests unterschiedlich zuverlässig, wie der Test auf der gegenüberliegenden Seite zeigt. So reicht bei hoher Viruslast die Sensitivität von 0 Prozent bis 100 Prozent. Von 100 Infizierten mit hoher Viruslast wurden also jeweils 0 oder eben 100 Personen korrekt als positiv identifiziert. Bei sehr hoher Viruslast sehen die Zahlen deutlich besser aus. Hier werden die 100 Prozent bei vielen Tests erreicht. Umgekehrt versagen die meisten Tests bei niedriger Viruslast. Das Problem ist: Für Kun­d:in­nen ist es kaum möglich, gezielt etwa die am besten abschneidenden Tests zu erwerben. Online gibt es sie teilweise überhaupt nur für gewerbliche Ab­neh­me­r:in­nen und der Einzelhandel bietet nur eine eingeschränkte und wechselnde Auswahl. Wer vor Ort oder online den jeweils besten erhältlichen erstehen will, dem:­der hilft ein Blick auf die Liste, die das zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) unter http://www.pei.de/antigentests veröffentlicht.

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Funktionieren die Tests auch bei der Omikron-Variante?

Die US-Arzneimittelbehörde (FDA) schlug kürzlich Alarm: Die Schnelltests würden bei der jüngst entdeckten Omikron-Variante möglicherweise nicht zuverlässig anschlagen. Das deutsche PEI hat sich dieser Frage im Dezember angenommen und bewertet die Situation etwas optimistischer als die FDA. Denn die große Mehrheit der 245 Antigentests, die das Institut bis Mitte Dezember untersucht hatte und von denen 199 die Prüfung bestanden (die durchgefallenen 46 sind hierzulande nicht mehr erhältlich), wies das Nukleoprotein (N-Protein) des Coronavirus nach. Die Mutationen der Omikron-Variante würden aber vor allem das S-Protein betreffen. Das Fazit der Behörde: „Auf der Grundlage der aktuellen Datenlage geht das Paul-Ehrlich-Institut davon aus, dass die allermeisten der in Deutschland angebotenen und positiv bewerteten Antigentests eine Omikron-Infektion nachweisen können.“ Die „allermeisten“ heißt aber eben auch: nicht alle. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte nun vergangene Woche an, dass er beim PEI eine Positivliste beauftragt hat, die nur Omikron-sichere Tests enthalten soll. Laut PEI sind erste Ergebnisse derzeit Mitte Februar zu erwarten.

Mit Blick in die Zukunft könnte es aber noch Potenzial geben. Es gibt erste Hinweise darauf, dass Antigentests Omikron im Rachen früher nachweisen können als in der Nase. Beim Schnelltest zu Hause lässt sich das schnell einbauen und mit dem Tupfer einmal tief im Rachen langfahren, bevor es in die Nase geht. In den Testzentren geht das nicht so einfach, da die meisten Schnelltests aktuell nur für den Abstrich in der Nase zugelassen sind.

Was bringen dann Schnelltests?

Wer verhindern will, dass etwa auf einer Feier oder dem Spieleabend jemand von den Gästen infiziert ist – der kann nur mit Schnelltests eben nicht zu 100 Prozent sicher sein. Hier würden nur die genaueren PCR-Tests helfen, in Kombination mit einer vorbeugenden Quarantäne von etwas vor dem Test bis zur Veranstaltung. Dass PCR-Tests Veranstaltungen wirksam absichern können, hat ein Modellprojekt in Berlin gezeigt, das von der Charité wissenschaftlich begleitet wurde. Im Rahmen des Projekts wurden sämtliche Clubbesucher vor dem Feiern mittels PCR getestet. Die Charité begleitete das Projekt und kommt in der Auswertung zu dem Schluss, „dass keine Ansteckung während des Clubculture-Events stattgefunden hat“. In Zeiten knapper Ressourcen bei PCR-Tests sind allerdings derartige Einsatzzwecke kaum zu vermitteln. Was die Frage aufwirft, ob es nicht eine breitere Verfügbarkeit kostenloser PCR-Tests in Kombination mit deutlich erweiterten Laborkapazitäten bräuchte.

Auf gesellschaftlicher Ebene helfen die Schnelltests aber trotz ihrer ­Schwächen: Zum einen, weil sie in der Breite eben doch eine Reihe von Infektionen erkennen und damit Ansteckungen verhindern. Zum anderen, weil die Schnelltests eben nur eine Scheibe sind im Schweizer-Käse-Modell gegen die Pandemie: Jede Maßnahme für sich – Schnelltests, Masken, Kontakt­reduktion, Impfungen, Lüften, Luftfilter und so weiter – hat ihre Löcher, aber in Kombination bieten sie eben doch einen signifikanten Schutz vor Ansteckungen

Aneiander aufgereihte gebrauchte Schnelltests

Nicht zu 100 Prozent sicher: Schnelltests Foto: Erik Irmer

Sind die Tests bei Geimpften tatsächlich unzuverlässiger als bei Ungeimpften?

Anekdotisch häufen sich die Fälle, in denen Geimpfte mit Symptomen zunächst ein negatives Schelltestergebnis erhielten – und erst einen oder mehrere Tage später ein positives. Der Virologe Christian Drosten sagte Anfang Januar im NDR-Podcast: „Seitdem wir impfen, sind diese Antigentests geringfügig ein bisschen schlechter sensitiv.“ Das seien aber „vernachlässigbare Effekte“. UKE-Professor Knobloch sagt: „Es ist auch vorstellbar, dass es bei Geimpften ­Verläufe mit geringer Viruslast gibt, wo der Antigentest die gesamte Zeit über falsch negativ bleibt.“ Gerade bei ­Symptomen und wenn man unter Menschen gehen muss oder möchte, macht es daher Sinn, doch die ­Hausärztin nach einem PCR-Test zu fragen.

Ist es dann sinnvoll, dass Gebooste r te auch ohne Test an 2G -plus -Veranstaltungen, bei denen sonst Testpflicht herrscht, teilnehmen dürfen ?

„Geboosterte sind die Gruppe, wo ich relativ den geringsten Nutzen von flächendeckenden Tests habe“, sagt Knobloch. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass hier jemand infektiös werde, sei im Vergleich zu Menschen mit weniger oder keiner Impfdosis deutlich geringer. Im Einzelfall kann aber dennoch alles anders aussehen – und ein Test eine Infektion erkennen und Ansteckungen verhindern.

Im Internet finden sich Berichte, in denen Nut­ze­r:in­nen Flüssigkeiten wie Cola auf die Testkassette gießen und der Test anscheinend zwei Linien für einen coronapositiven Befund zeigt. Sind die Tests also Mist?

Auf den ersten Blick kann dieser Eindruck entstehen. Doch dass einige Tests in so einem Fall ein vermeintlich positives Ergebnis zeigen, hat einen anderen Grund: Die Cola zerstört die Pufferschicht in der Testkartusche. Ein Test-Hersteller macht hier den niedrigen ph-Wert verantwortlich. Dadurch werden bei manchen Tests beide Linien sichtbar und das Ergebnis erscheint positiv. Die Gegenprobe lässt sich leicht selbst durchführen: Die Cola abstreichen, Tupfer in der Pufferlösung schwenken, Lösung aufs Testfeld tropfen und dann großes Hurra: Die Cola hat kein Corona.

Was ist also drin in der Pufferlösung?

„Die genaue Zusammensetzung ist Betriebsgeheimnis der Hersteller“, sagt Knobloch. Die Lösungen sind von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich komponiert, es gibt aber zumindest Anhaltspunkte. So gibt Siemens Healthineers, Gesundheitssparte des Unternehmens und selbst Entwickler von Schnelltests, Kochsalzlösung als Hauptbestandteil an. Sie mache mehr als 99,7 Prozent der Pufferlösung aus. Dazu kommen laut dem Hersteller Roche Konservierungsstoffe für die Haltbarkeit und ein Tensid. „Das Tensid ist der Wirkstoff, der die mit dem Virus befallenen Zellen so auflöst, dass die einzelnen Proteine vorliegen, die dann nachgewiesen werden“, erklärt Knobloch.

Wie müssen die benutzten Tests entsorgt werden?

Abstrichtupfer, Testkartuschen, kleine Plastikbehälter mit Pufferlösung – und das alles dann auch noch mal in Plastik verpackt – es ist in der Summe schon einiges an Müll, das mit den Tests entsteht. Und das wirft die Frage auf: In welchen Müll gehört das eigentlich alles? Weil nicht nur Haushalte vor dieser Frage stehen, sondern zum Beispiel auch Schnelltestzentren und Unternehmen, hat das Umweltbundesamt gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut eine Handreichung für den Abfall herausgegeben, der im Zusammenhang mit Covid-19 entsteht. Die gute Nachricht: „Im Test-Kit findet keine Vermehrung der Viren statt. Es geht daher von den als Abfall anfallenden gebrauchten Test-Kits kein Risiko aus, das einen besonderen Umgang mit diesen Abfällen im Vergleich zu anderen nicht gefährlichen medizinischen Abfällen erfordert.“ Sprich: Das Zeug kann in den Restmüll.

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