Inge Auerbacher hält Gedenkrede: „Ein Ort der Finsternis“

Zum 77. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz spricht die 87-jährige Holocaust-Überlebende.

Inge Auerbacher hält den Judenstern in der hand

Inge Auerbacher zeigt im Jahr 2019 den Judenstern, den sie als Kind tragen musste Foto: Federico Gambarini/dpa

BERLIN taz | Wen es in das badische Dorf Kippenheim verschlägt, der kann sein müdes Haupt in der Inge-Auerbacher-Ferienwohnung betten. Der Schuster Friedrich Vogt (84), dessen Eltern das Haus nach dem Krieg erworben haben, hat die Wohnung so benannt. Davor gehörte sie Familie Auerbacher. Die Namensträgerin der Ferienwohnung hat dort jüngst auch schon übernachtet. „Wenn Inge Auerbacher kommt, freut sie sich immer sehr“, sagt Vogt.

Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, denn Inge Auerbacher hat das Ghetto Theresienstadt überlebt und ist bald nach der Befreiung in die USA ausgewandert. Sie, Jahrgang 1934, war das letzte jüdische Kind, das in Kippenheim zur Welt kam. An diesem Donnerstag, 77 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, ist Inge Auerbacher zurück in Deutschland. Sie spricht vor dem Deutschen Bundestag in Berlin anlässlich des Holocaust-Gedenktages.

Auerbacher kann sich noch gut daran erinnern, als im November 1938 die Synagoge des Dorfs von Nazis geschändet worden ist und wie die Scheiben klirrten, als die Wohnung der Familie demoliert wurde. Bald danach verließen sie Kippenheim und zogen zu den Großeltern nahe Göppingen.

Zuerst wurde die Großmutter deportiert. Dann mussten Inge und ihre Eltern in ein Stuttgarter „Judenhaus“ umziehen. Im August 1942 erfolgte ihre eigene Deportation, nach Theresienstadt. Inge hielt ihre geliebte Puppe ‚Marlene‘ fest im Arm, als der Zug nach Osten rollte.

„Brot, Kartoffeln und Suppe“

„Ein Ort der Finsternis“ nennt Auerbach das Ghetto in ihrem Kinderbuch „Ich bin ein Stern“. Darin beschreibt sie das Leben und Sterben in Theresienstadt, den Hunger, die Kälte, die Krankheiten und den Terror aus kindlicher Sicht. „Die wichtigsten Worte in unserem Sprachschatz waren: Brot, Kartoffeln und Suppe“, schreibt sie.

Fast alle ihre Spielkameraden starben oder wurden in eines der Vernichtungslager deportiert. Inge und ihre Eltern erleben am 8. Mai 1945 die Befreiung durch die Rote Armee. Sie kehrten in die Heimat zurück, doch es war niemand mehr da. Dreizehn Familienmitglieder waren ermordet worden. Bald darauf ging es mit einem US-Truppentransporter nach New York, in die neue Heimat. Dort studierte Inge Auerbacher Chemie.

1966 kehrte sie zum ersten Mal wieder „mit sehr gemischten Gefühlen“ zum Besuch nach Kippenheim zurück. Inzwischen war sie häufig dort, hat Freundschaften geschlossen. Inge Auerbacher hält Vorträge über ihre Verfolgung in Schulen, in Deutschland wie in den USA.

Auch nach der großen Rede im Bundestag wird sie wieder nach Kippenheim kommen. Für Anfang Februar ist eine Feier für sie im Dorf angesetzt, berichtet Jürgen Stude vom Förderverein der ehemaligen Synagoge. Schüler werden ein Theaterstück mit Darstellungen aus ihrem Buch aufführen. Stude beschreibt Inge Auerbacher als „fröhliche, lebhafte, sehr zugewandte Frau“, deren Deutsch bis heute einen badisch-schwäbischen Einschlag aufweist.

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