Repression in Saudi-Arabien: Prinzessin Basmah ist frei
Fast drei Jahre war die prominente Cousine des saudischen Kronprinzen inhaftiert. Zu welchen Bedingungen die 57-Jährige freikam, ist unklar.
„Wir begrüßen die Entscheidung vom Königshof und von Muhammad bin Salman, die Prinzessin freizulassen“, sagte Estramant am Sonntag per Telefon. Mutter und Tochter waren im März 2019 festgenommen worden und wurden seitdem ohne Anklage festgehalten. Nach ALQST-Angaben war Prinzessin Basmah im Al-Ha'ir-Gefängnis in Riad interniert, wo auch zahlreiche weitere politische Gefangene in Haft sitzen.
Der genaue Grund für Basmahs Festnahme ist auch nach ihrer Freilassung nicht bekannt. Beobachter*innen haben verschiedene Erklärungen angeführt, die möglicherweise auch ineinander greifen. So ist die Prinzessin eine Befürworterin von weitreichenden Reformen in Saudi-Arabien, auch wenn ihre Forderungen in der Vergangenheit nicht so radikal waren wie die von anderen politisch Verfolgten in dem autoritär regierten Königreich.
Basmah hat sich nie offen gegen die Monarchie gewandt, doch hat sie beispielsweise in einem Interview mit der BBC gefordert, das Land in eine konstitutionelle Monarchie umzuwandeln und die Gleichheit von Frau und Mann in einer Verfassung zu verankern. Hinzu kommt, dass Basmah im Ausland gut vernetzt ist. Sie hat lange Zeit in London gelebt, bevor sie 2016 nach Saudi-Arabien zurückkehrte.
Zudem habe es einen Erbschaftsstreit gegeben, in dem es um den Nachlass ihres Vaters König Saud (reg. 1953-1964 ) ging. Dies berichtete eine Quelle, die der Prinzessin nahe steht, aber um Anonymität bat, im vergangenen Jahr der taz. Laut dem US-Wirtschaftsmagazin Insider geht es bei der Auseinandersetzung um Werte in Milliardenhöhe, unter anderem um Grundbesitz in Saudi-Arabien.
Konkurrenz innerhalb der Familie
Hintergrund der Festnahme sind Beobachter*innen zufolge aber auch Verschiebungen innerhalb des saudischen Machtgefüges. Basmah soll gute Verbindungen haben zu einem Zweig der Herrscherfamilie, der zu dem von König Salman und Kronprinz Muhammad bin Salman (MBS) in Konkurrenz steht.
In der Familie hat sich in den letzten Jahren ein Machtkampf zugespitzt, der bereits seit Langem absehbar war. Er geht auf die Regelung zurück, dass die saudische Erbfolge innerhalb der Generation der Söhne von Staatsgründer Abdulaziz Al Saud (reg. 1931-1953) von (Halb-)Bruder zu (Halb-)Bruder übergeht und nicht etwa vom Vater zum Sohn.
MBS wäre der erste König, der kein Sohn des Staatsgründers ist, sondern aus der weitverzweigten Enkelgeneration kommt. Sobald er seinem Vater Salman nachfolgt, wären also andere Familienzweige ausgeschaltet. Die jahrelang offene Frage, wie die Thronfolge auf die nächste Generation übergeht, wäre damit entschieden – im Sinne des Zweiges von König Salman und MBS.
MBS hat diesen Machtkampf seit seiner Ernennung zum Kronprinz 2017 mit äußerst repressiven Mitteln geführt und etliche Mitglieder der Königsfamilie, die er als Konkurrenz wahrnimmt, festnehmen lassen. So ist Basmah nicht das einzige Mitglied der Familie, das weggesperrt wurde. Viele prominente Prinzen, die MBS 2017 im Luxushotel Ritz Carlton in Riad einsperren ließ, sind mittlerweile zwar wieder frei, von vielen war aber nie wieder etwas zu hören.
Prominenter Prinz inhaftiert
Der prominenteste Prinz hinter Gittern ist Mohammed bin Najef, der selbst König werden sollte, bevor MBS sich von seinem Vater an erste Stelle der Thronfolge setzen ließ. Prinzessin Basmah soll guten Kontakt zu ihm haben. Auch deshalb ist ihre Festnahme vor dem Hintergrund der Machtkonsolidierung durch MBS zu sehen.
Über die Bedingungen der Haftentlassung der Prinzessin ist bislang nichts bekannt. „Ich befürchte, dass Prinzessin Basmah nicht ausreisen darf“, sagt Henri Estramant. Schon vor ihrer Festnahme sei sie wegen gesundheitlicher Probleme in der Schweiz in Behandlung gewesen. „Nach drei Jahren Gefangenschaft kann sich ihr Gesundheitszustand natürlich verschlechtern.“ Sie leide vor allem unter Herzproblemen.
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