Russland und Putins Strategien: Auf Augenhöhe mit den USA

Menschenrechtsorganisation verboten, mit Biden telefoniert, die EU düpiert – die letzte Woche des Jahres lief gut aus Putins Sicht.

Joe Biden sitzt an seinem Schreibtisch im Weißen Haus

Ausblick? Im Januar sollen die Gespräche vor allem über den Ukrainekonflikt weitergehen Foto: Chris Kleponis/CNP/MediaPunch/imago

Die letzte Woche des Jahres lief für Russlands Präsidenten Wladimir Putin gut. Das jährliche Plansoll ist erfüllt. Das Projekt, mit der Menschenrechtsorganisation Memorial endlich Tabula rasa zu machen, wurde erfolgreich abgeschlossen. Mit der fadenscheinigen Begründung, als „ausländische Agenten“ gegen Auflagen verstoßen zu haben, sind jetzt sowohl Memorial International als auch das gleichnamige Menschenrechtszentrum per Gerichtsurteil verboten.

Immerhin meldete sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu Wort. Russland müsse die Umsetzung dieser Urteile so lange stoppen, wie die Straßburger Richter nicht über eine Klage russischer Nichtregierungsorganisationen gegen das Gesetz über „ausländische Agenten“ aus dem Jahr 2013 entschieden hätten.

Ob sich der Kreml von dieser Entscheidung wird beeindrucken lassen, kann man bezweifeln. Bislang ist Moskau Urteilen des EGMR allenfalls teilweise gefolgt. Zudem hat das russische Verfassungsgericht entschieden, Entscheidungen des EGMR zu ignorieren, sollten sie vermeintlich der russischen Verfassung widersprechen. Wo es um den Vorwurf des Extremismus geht, der Re­gie­rungs­kri­ti­ke­r*in­nen angehängt wird, dürfte sich mit kreativer Rechtsauslegung ein Hebel finden lassen.

Auch auf internationalem Parkett hat Putin Punkte gemacht. Nach einem Zwiegespräch mit US-Präsident Joe Biden am Donnerstag dieser Woche soll im Januar in unterschiedlichen Konstellationen vor allem über die Ukraine verhandelt werden.

Putins Geringschätzung gegenüber Europa

Offensichtlich zeigt die massive Truppenpräsenz Russlands an der Grenze zum Nachbarn die erhoffte Wirkung. Moskau redet mit den USA auf Augenhöhe. Damit ist der Beweis erbracht, dass Russland zurück ist auf der politischen Weltbühne.

Putin sucht nicht zufällig den direkten Kontakt zu Washington. So bringt er seine Geringschätzung gegenüber Europa zum Ausdruck, dem er nur eine Nebenrolle im Konzert der Großen zuweist. Damit hat Putin sogar recht. Die Bedrohung der Ukrai­ne zeigt mal wieder, dass die EU keine konsistente Strategie gegenüber Russland hat.

So lange ein Dialog möglich ist, gibt es Hoffnung. Aber wie die verschiedenen Interessen zur Deckung gebracht werden könnten, ist mehr als offen. Russland die geforderten Sicherheitsgarantien zu geben und eine Erweiterung der Nato auszuschließen, wirkte wie ein Kotau vor Moskau. Gleichzeitig weiß Putin, dass die Nato im Falle eines russischen Angriffs auf die Ukraine keinen Finger rühren würde.

So beginnt das neue Jahr wie das alte endet: mit Unsicherheit – vor allem für die Menschen in der Ukraine. Sie würden, sollte es zum Äußersten kommen, den höchsten Preis bezahlen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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