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Selbstverwaltet seit 50 Jahren

Über dem Eingangstor zu Hof und Garten baumeln ausrangierte Schuhpaare, das gelbe Backsteingebäude ist mit zahllosen Graffiti verziert. Früher gingen Diakonissen durch das 1883 errichtete „Martha-Maria-Heim“, bewohnten 50 Zimmer und betrieben im Erdgeschoss eine Lehrstätte. Seit der Besetzung des Gebäudes am 8. Dezember 1971 leben hier überwiegend junge Menschen, die ihren Alltag basisdemokratisch organisieren.

Ein Kreuzgewölbe ziert die hohe Decke im langen Erdgeschoss-Gang, auch hier sind die Wände bunt bemalt. Über dem Ausgang prangt der Spruch von Georg Büchner, den die Be­set­ze­r*in­nen hier 1971 angepinselt haben: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“. Daneben ein roter Stern.

Die Möblierung des Gemeinschaftssaals besteht aus zusammengewürfelten Sesseln, Sofas, Stühlen und einem riesigen, mit grünem Linoleum bezogenen Tisch. Es gibt Proben-, Versammlungs- und Sporträume und eine Siebdruckwerkstatt.

Vor Corona fanden hier im Schnitt zwei öffentliche Veranstaltungen pro Woche statt – Partys, Volxküchen und Konzerte. Darüber hinaus treffen sich hier auch unterschiedliche Gruppen und Vereine aus Kreuzberg. „Wir hatten allerdings immer viel mehr Anfragen als Möglichkeiten, weil der Platz ja begrenzt ist“, berichtet eine Bewohnerin. Viele Freiräume in Berlin würden durch den Bau von Edelwohnungen zerstört.

Genau wie die Be­set­ze­r*in­nen der ersten Stunde engagieren sich auch die heutigen Rauch­häus­le­r*in­nen dafür, dass Menschen mit wenig Geld selbstbestimmt leben können. Solidarität mit denen, die die Polizei Mitte Oktober vom Wagenplatz in der Köpenicker Straße vertrieben hat, ist hier selbstverständlich.

Dass hier auch längerfristig Menschen selbstverwaltet leben können, ist seit 2013 durch einen Vertrag mit der Wohnungsbau-Genossenschaft Bremer Höhe abgesichert.

Die hat einen Erbpachtvertrag mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg abgeschlossen und vermietet das Gebäude nun an das „Georg von Rauch-Haus Jugend- und Kulturzentrum Kreuzberg e. V.“.

An den zahlen die Be­woh­ne­r*in­nen ihre Miete, eine gemeinsame Kasse gibt es indessen nicht mehr. Außer für die denkmalgerechte Sanierung nach mehreren Bränden haben die Be­woh­ne­r*in­nen keine staatlichen Zuschüsse bekommen – was ihnen wichtig ist, um unabhängig zu bleiben.

Auch darin lebt der Geist der einstigen Be­set­ze­r*in­nen fort. Die wollten die heutigen Be­woh­ne­r*in­nen eigentlich zum 50. Jubiläum mit einem Festmahl ehren.

Nun hoffen sie, dass das Treffen im Juni nachgeholt werden kann. Annette Jensen

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