Urteil gegen Pflegerin in Oberlinhaus: Kein Grund zu morden
Die Pflegerin Ines R. wurde wegen Mordes verurteilt. Zu oft im Prozess und der Berichterstattung darüber wirkte es so, als hätten äußere Umstände sie dazu getrieben.
Die Angelakte im Landgericht Potsdam am Mittwoch Foto: Annette Riedl/dpa
Es gibt keinen berechtigten Grund für Mord. Diesen Satz wiederholen Aktivist*innen für Inklusion wieder und wieder mit Blick auf die Berichterstattung zu dem Mordprozess um die vier getöteten Heimbewohner*innen in Potsdam. Dass sie das tun müssen, zeigt, dass etwas falsch läuft. Um die Opfer geht es in den Artikeln wenig, umso mehr um den Arbeitsort der nun wegen Mord verurteilten Pflegerin.
Vor Gericht werden viele Mitarbeiter*innen des Oberlinhauses gehört, die von Überforderung bei der Arbeit berichten. Die den Notstand in der Pflege anhand ihres Arbeitsplatzes für die anwesenden Journalist*innen greifbar machen. Sie treffen dabei drastische Aussagen: „Ich konnte den Menschen durch die Arbeitsbedingungen keine Lebensqualität mehr bieten, musste sie nur noch abfertigen“, sagt eine Pflegerin. „Sie mussten Tage, wochenlang im Bett liegen bleiben. Die Kündigung war die letzte Lösung.“
Durch ihre Berichte kann schnell ein Gefühl der Mitschuld des Arbeitgebers an den grausamen Morden entstehen. Darauf zielte auch die Verteidigung der Pflegerin, die auf eine Schuldunfähigkeit setzte. Im Verlauf der Verhandlungen wurde deutlich, wie schwerwiegend die psychischen Probleme der nun verurteilten Pflegerin Ines R. waren.
Hätte ihr Arbeitgeber das nicht bemerken können? Suizidalität schon seit ihrer Kindheit, eine schwere Erkrankung ihres Sohnes, der andere Sohn hat eine Behinderung, und auch finanziell hat die Familie aus Potsdam zu kämpfen.
„Keine Reue gezeigt“
Aber es gibt keinen Grund für Mord. Es gibt Gründe für Kündigungen, für Krankschreibungen, für lange Ausfälle bei der Arbeit. Ines R. sucht sich therapeutische Hilfe und spricht auch offen mit einigen Kolleg*innen über ihre psychischen Probleme, über ihren Medikamenten- und Alkoholkonsum.
Die Menschen, die sie jahrelang pflegte und tötete, wussten nichts davon. Die Pflegerin „hat bis zum Schluss keinerlei Reue gezeigt, sondern die Verantwortung auf äußere Umstände gelegt“, fasst auch die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer zusammen. Sie tötete wehrlose Menschen. Die kurze Entschuldigung zum Prozessende werten Angehörige der Opfer als nicht authentisch. Auch kam sie viel zu spät.
Die Erkenntnisse, die der Prozess über Ines R. ans Licht brachte, sind tragisch und schmerzlich. Eine Erklärung oder gar Legitimation für die Tat sind sie nicht.
Urteil gegen Pflegerin in Oberlinhaus: Kein Grund zu morden
Die Pflegerin Ines R. wurde wegen Mordes verurteilt. Zu oft im Prozess und der Berichterstattung darüber wirkte es so, als hätten äußere Umstände sie dazu getrieben.
Die Angelakte im Landgericht Potsdam am Mittwoch Foto: Annette Riedl/dpa
Es gibt keinen berechtigten Grund für Mord. Diesen Satz wiederholen Aktivist*innen für Inklusion wieder und wieder mit Blick auf die Berichterstattung zu dem Mordprozess um die vier getöteten Heimbewohner*innen in Potsdam. Dass sie das tun müssen, zeigt, dass etwas falsch läuft. Um die Opfer geht es in den Artikeln wenig, umso mehr um den Arbeitsort der nun wegen Mord verurteilten Pflegerin.
Vor Gericht werden viele Mitarbeiter*innen des Oberlinhauses gehört, die von Überforderung bei der Arbeit berichten. Die den Notstand in der Pflege anhand ihres Arbeitsplatzes für die anwesenden Journalist*innen greifbar machen. Sie treffen dabei drastische Aussagen: „Ich konnte den Menschen durch die Arbeitsbedingungen keine Lebensqualität mehr bieten, musste sie nur noch abfertigen“, sagt eine Pflegerin. „Sie mussten Tage, wochenlang im Bett liegen bleiben. Die Kündigung war die letzte Lösung.“
Durch ihre Berichte kann schnell ein Gefühl der Mitschuld des Arbeitgebers an den grausamen Morden entstehen. Darauf zielte auch die Verteidigung der Pflegerin, die auf eine Schuldunfähigkeit setzte. Im Verlauf der Verhandlungen wurde deutlich, wie schwerwiegend die psychischen Probleme der nun verurteilten Pflegerin Ines R. waren.
Hätte ihr Arbeitgeber das nicht bemerken können? Suizidalität schon seit ihrer Kindheit, eine schwere Erkrankung ihres Sohnes, der andere Sohn hat eine Behinderung, und auch finanziell hat die Familie aus Potsdam zu kämpfen.
„Keine Reue gezeigt“
Aber es gibt keinen Grund für Mord. Es gibt Gründe für Kündigungen, für Krankschreibungen, für lange Ausfälle bei der Arbeit. Ines R. sucht sich therapeutische Hilfe und spricht auch offen mit einigen Kolleg*innen über ihre psychischen Probleme, über ihren Medikamenten- und Alkoholkonsum.
Die Menschen, die sie jahrelang pflegte und tötete, wussten nichts davon. Die Pflegerin „hat bis zum Schluss keinerlei Reue gezeigt, sondern die Verantwortung auf äußere Umstände gelegt“, fasst auch die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer zusammen. Sie tötete wehrlose Menschen. Die kurze Entschuldigung zum Prozessende werten Angehörige der Opfer als nicht authentisch. Auch kam sie viel zu spät.
Die Erkenntnisse, die der Prozess über Ines R. ans Licht brachte, sind tragisch und schmerzlich. Eine Erklärung oder gar Legitimation für die Tat sind sie nicht.
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Kommentar von
Linda Gerner
Nachrichtenchefin/CvD
Schreibt seit 2017 für die taz und arbeitet seit 2020 als Redakteurin bei der taz. Studierte Kommunikationswissenschaften, Germanistik, Anglistik sowie Kulturjournalismus in Berlin und Essen.
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