Petition der Woche: Das Intimste ist wieder politisch

Pille, Kondom und Co. sind gut – aber nicht gut genug, finden zwei Frauen. Ihre Forderungen haben es sogar in den Koalitionsvertrag geschafft.

Verpackung einer Verhütungspille.

Auch die Pille müsse besser werden, meint Jana Pfenning Foto: Michael Weber/imagepower/imago

Es begann damit, dass sich alle einig waren. Anfang 2020 saßen mehrere EU-Parlamentarier:innen nach Feierabend zusammen, alle demokratischen Parteien waren vertreten, sie stimmten in einem Thema überein: Wie es bislang läuft, kann es mit der Verhütung nicht weitergehen. Noch immer ist das Kondom neben der Sterilisierung das einzige Verhütungsmittel für Männer. Die Pille wiederum bringt für Frauen viele Nebenwirkungen mit sich.

Die Studentinnen Jana Pfenning und Rita Maglio arbeiteten zu der Zeit im EU-Parlament, sie waren an dem Abend dabei. „Es gibt selten politische Themen, bei denen sich alle einig sind“, sagt Pfenning, „aber wenn, warum passiert dann nichts?“ Die beiden stellten fest: Es gibt keine Interessenvertretung für Fragen der Verhütung. Daraufhin beschlossen sie, selbst eine zu gründen – Better Birth Control.

Zum 60-jährigen Jubiläum der Pille Anfang 2021 starteten sie eine Petition auf change.org mit dem Titel „Verhütung für alle besser machen!“. Dort fordern sie unter anderem die volle Kostenübernahme für Pille, Kondome und Co. Die Aufklärung soll verbessert und Nebenwirkungen sollen reduziert werden. Über 130.500 Menschen haben bereits unterschrieben.

Bislang sind die Kosten und mögliche Nebenwirkungen ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt. „In Großbritannien werden Verhütungsmittel von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet. In Südafrika liegen an öffentlichen Gebäuden kostenlose Kondome aus“, sagt Pfenning. So müsse das hier auch sein. Außerdem solle viel mehr Geld in die Forschung fließen, um neue Verhütungsmittel auf den Markt zu bringen.

Kein Lifestyle-Produkt

„Die Pharmaindustrie unterschätzt das Interesse der Männer an eigener Verhütung“, ist Pfenning überzeugt. Auch die Pille müsse verbessert werden, aber da werde in die falsche Richtung geforscht. „Die Pille der neuesten Generation hat sogar ein höheres Thromboserisiko.“ Damit gingen teilweise auch andere Nebenwirkungen einher, wie reinere Haut. „Damit lässt sich die Pille als ‚Lifestyle-Produkt‘ vermarkten.“

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Unterstützt wird die Petition von vielen prominenten Aktivist:innen, Po­li­ti­ke­r:in­nen und Journalist:innen. Inzwischen kümmern sich bei Better Birth Control etwa 40 Menschen ehrenamtlich um Social Media oder wissenschaftliche Recherchen. Auf Instagram wird Aufklärungsarbeit geleistet. In kurzen Videos werden etwa Verhütungsmittel für Männer vorgestellt, die noch nicht auf dem Markt sind.

Gerichtet ist die Petition unter anderem an Jens Spahn, die SPD-Gesundheitspolitikerin Klara Geywitz und „die Pharmaindustrie“. Eine persönliche Rückmeldung erhielten die Initiatorinnen bislang von niemandem, nun aber haben sie es mit ihren Forderungen in den Koalitionsvertrag geschafft. „Wir wollen Krankenkassen ermöglichen, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten. Bei Geringverdienenden werden die Kosten übernommen. Wir wollen die Forschungsförderung für Verhütungsmittel für alle Geschlechter anheben“, versprechen die Ampelparteien.

Einige gesetzliche Krankenkassen hätten das auch schon zugesagt. Jetzt geht es Maglio und Pfenning darum, dafür zu sorgen, dass die Versprechen auch Wirklichkeit werden.

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