: Genosse grünes Öl
ETF, Aktie, Haus, Anleihe – oder doch lieber das (kleine) Vermögen in Öl, genauer gesagt in Olivenöl anlegen? Ja, Letzteres ist tatsächlich eine Option
Von Dierk Jensen
Von Anfang an war es kein gewöhnliches Handelsunternehmen. Als Conrad Bölicke Ende der Neunzigerjahre im ländlichen Wilstedt, östlich von Bremen, die arteFakt Handelsagentur für Erzeuger-Verbraucher-Ideen gründete, da ging es ihm zuerst einmal um den Direktimport von hochwertigem Olivenöl aus Südeuropa. Dem studierten Werkstoffwissenschaftler schwebte immer eine enge Bindung zwischen Erzeugern und Verbrauchern vor. Darüber hinaus war es dem Gründer, der vorher in Berlin bei der legendären Teekampagne als Geschäftsführer aktiv war, immer wichtig, die hohen Qualitätsansprüche an das Produkt zugleich mit einer nachhaltigen und innovationsfreudigen Produktionsweise zu verbinden.
Rückblickend kann man als Beobachter behaupten, dass Bölicke mit seinem konsequent ans Gemeinwohl ausgerichteten ökonomischen Ansatz, trotz mancher Wirrungen und Irrungen, in den letzten beiden Jahrzehnten mit der arteFakt Handelsagentur für Erzeuger-Verbraucher-Ideen GmbH ziemlich großen Erfolg verbuchen konnte. Mittlerweile arbeiten in dem Unternehmen mehr als 25 Menschen und man importiert inzwischen aus Italien, Griechenland, Kroatien und Spanien viele Tausende Liter Olivenöl. Darüber hinaus wird ein breites Sortiment an mediterranen Spezialitäten wie Balsam-Essige und Peperoncini, aber auch Apfelsinen und Weine angeboten. Bestellbar ist alles per Internet – entweder wird die Ware versandt oder der Kunde holt sich seine Bestellung direkt in Wilstedt im Hofladen ab. So ist es Bölicke und seinen Mitstreitern – und damit sind zuallererst die Olivenölerzeuger zu nennen – gelungen, sich einen Namen und einen Markt im lukrativen wie bekanntlich auch hoch manipulativen europäischen Olivenölmarkt zu erarbeiten. Viele Gourmetgazetten haben in der Vergangenheit schon über ihn, sein Entrepreneurship, seine Olivenöle geschrieben, haben ihn manchmal kritisiert, aber oft in hohen Tönen gelobt.
Seit Mitte 2021 ist nun aus der früheren arteFakt GmbH eine Genossenschaft, nämlich die arteFakt eG, geworden. Das Interesse an einer Beteiligung war sehr groß. Innerhalb kurzer Zeit zeichneten über 850 Genossen eine, mehrere oder auch viele Anteile in Höhe von 250 Euro. Die Rendite soll bei 2 Prozent jährlich liegen. Bei einem Anteil à 250 Euro wären es also exakt 5 Euro – das ist nicht viel, aber immerhin. Überdies gibt es einen 5-prozentigen Rabatt auf alle entweder im Hofladen oder auf Märkten und Sonderveranstaltungen angebotenen arteFakt-Produkte. „Den Gedanke, unser Unternehmen in eine Genossenschaft umzuwandeln, habe ich schon seit Längerem gehegt“, erklärt Conrad Bölicke, der sich seinem 70. Geburtstag nähert, aber als Vorstand weiterhin voll engagiert ist. „Ich wollte ein Unternehmenskonstrukt, bei dem sich alle Beteiligten und Mitglieder an der Weiterentwicklung von arteFakt miteinbringen können.“
Dabei werden die Herausforderungen zur Produktion von guten Olivenölen in Zeiten von Klimawandel und weiterhin erodierenden Strukturen in vielen ländlichen Räumen Südeuropas in Zukunft eher wachsen als abnehmen. So gibt es auch auf Kreta, in Istrien, in Apulien, Kalabrien oder in Katalonien viele Landstriche, in denen junge Leute zuhauf die Segel streichen und in die Städte ziehen. Am Ende fehlt dann auch der Nachwuchs für die Pflege und Ernte der Olivenhaine. „Das ist auch bei uns ein großes Problem“, unterstreicht stellvertretend für die vielen Olivenölproduzenten Aleksandra Vekić. Sie bewirtschaftet größere Olivenfelder unmittelbar an der istrischen Adriaküste und betreibt eine eigene Ölmühle im kleinen Küstenort Savudrija. Kurdische Saisonarbeiter beschneiden im Frühjahr die Olivenbäume, zur Ernte schließen Afghanen, Albaner und andere Saisonarbeiter aus dem südlichen Balkan die Arbeitslücken. Kroatische Mitarbeiter gibt es kaum: Es scheint offenbar interessanter, ja, wohl auch lukrativer zu sein, in der Tourismusbranche zu jobben oder beim internationalen Tennisturnier im benachbarten Umag Espressi zu kochen, als Beikraut und Gräser in Olivenhainen zu mähen.
Ende der Neunzigerjahre erwarb Aleksandras Vater Mate, der als Kroate in den fünfziger Jahren, während der jugoslawischen Ära nach Italien auswanderte und dort in der norditalienischen Textilindustrie Karriere machte, in Savudrija unbewirtschaftetes Land. Mate pflanzte darauf Tausende neue Bäume. Seine Tochter erntet nun mit diesem jungen Baumbestand und mit ökologischer Anbauweise ein Olivenöl, das international für Furore sorgt und seit Kurzem ins anspruchsvolle Sortiment von arteFakt mit aufgenommen wurde. Die Qualität von Vekić Öl, das über einen kräftigen, grünen Geschmackskörper verfügt und einen Hauch Salzigkeit in sich trägt, ist weithin bekannt und geschätzt – Schweizer, Österreicher und Italiener reißen es ihr aus der Hand. arteFakt wollte für seine Kunden eine größere Menge der diesjährigen Ernte sichern; aber die deutschen Importeure erhielten galant einen Korb, weil eine eher bescheidene Erntemenge des Jahres 2021 gar keine weiteren Kontingente erlaubt. Denn Istrien, wie auch andere Teile Kroatiens litten in diesem Sommer unter extrem heißem Wetter, vielerorts herrschte Wasserknappheit. „Hätten unsere Haine keine Bewässerungssysteme, dann hätten wir wahrscheinlich kaum etwas ernten können“, erklärt Vekić.
Mit extremen Witterungskapriolen müssen sich aber nicht nur die Oliviers in Istrien, sondern auch in den anderen mediterranen Anbauregionen schon seit Jahren herumplagen. Am Ende ist in vielen Regionen, besonders in diesem Herbst, die Erntemenge geschrumpft, die oftmals nur durch höhere Verkaufspreise ausgeglichen werden können. Und an dieser Stelle sieht sich Conrad Bölicke und die Genossenschaft arteFakt in der Verantwortung. „Gerade in diesen schwierigen Zeiten streben wir eine enge Verbraucher-Erzeuger-Verbindung an, die gegen disruptive ökonomische Prozesse gefeit ist“, versichert Bölicke. Und wer Mitglied von arteFakt ist oder noch wird, der erntet gleich dreimal: mit einer 2-prozentigen Rendite, mit hochwertigem Olivenöl und mit der Existenzsicherung von Erzeugerbetrieben. Mehr grüne Rendite geht doch eigentlich gar nicht.
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