Andreas Speit Der rechte Rand: Warum die „Titanic“ in Neumünster vielleicht doch nicht untergeht
Über Jahre kehrte in die Kneipe „Titanic“ in Neumünster die rechtsextreme Szene ein. Keine zehn Minuten Fußweg vom Bahnhof lag der Szenetreff, geleitet von NPD-Stadtrat Horst Micheel. Jetzt ist die „Titanic“ geschlossen. Aber die Gäste dürfen sich wohl auf eine Neueröffnung freuen.
Das Team der „Titanic“ soll bereits die ehemalige Gaststätte „Siedlerklause“ renovieren. Die „Klause“ befindet sich in einem einstöckigen Haus mit roter Klinkerfassade in der Ehndorfer Straße. Der Kampagne „Titanic versenken“ fielen die neuen Aktivitäten dort auf.
Dass die rechte Szene in Neumünster eine neue Anlaufstelle suchen würde, als sich die Kündigung der alten Räumlichkeiten der Kneipe in der Wippendorfstraße abzeichnete, war zu erwarten. Seit Jahrzehnten besteht in der Stadt eine Szene aus ehemaligen Kameradschaftsanhänger:innen, NPD-Mitgliedern und Rockern mit rechter Vergangenheit. Am alten Ort der „Titanic“ fand im September noch ein Konzert mit dem Rechtsrocker Hannes Ostendorf von der Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ statt. Aus ganz Norddeutschland kamen die Fans zu der geschlossenen Veranstaltung.
Mit einem offenen Brief hat sich die Kampagne „Titanic versenken“ nun an die Immobilienfirma gewendet, die das Gebäude verwaltet: „Wir haben Grund zum Feiern: Nach etlichen Jahren, in denen die Kneipe ‚Titanic‘ in Neumünster für neonazistische Propaganda, Übergriffe und Rockerkriminalität stand und sowohl der verfassungsfeindlichen NPD als auch bundesweit besuchten Rechtsrockkonzerten einen Raum bot, sind den Betrei-ber*innen die Räumlichkeiten in der Wippendorfstraße gekündigt worden“ steht in dem Schreiben.
Die Verfasser*innen erinnern daran, dass „mehr als 100 Bands, Gruppen, Sportvereine, Initiativen und Vereine sowie diverse Einzelpersonen, unter ihnen auch Mitglieder des Bundestags und des Landtags, die Schließung“ des Szenetreffs gefordert hatten. In der Annahme, dass die Immobilienfirma nicht weiß, mit wem sie sich vertraglich vereint haben könnte, hat die Kampagne eine Übersicht zu den Aktivitäten in und um die „Titanic“ zusammengestellt. Per Link ist die Dokumentation, die auch Bilder von Aktionen beinhaltet, zugängig.
Die Kampagne lädt die Immobilienfirma aus Aukrug ein, sich den „vielfältigen und -zähligen Gruppen“ gegen rechts anzuschließen und „extrem rechter Gewalt und neonazistischer Propaganda eine klare Absage zu erteilen“. Und sie bittet: „Unterstützen Sie mit einer Vermietung der Immobilie nicht die gesamte extrem rechte Szene Norddeutschlands, sondern beenden Sie Ihre Zusammenarbeit mit dem Team der ‚Titanic‘.“ Die Kampagne bietet auch an, bei Fragen oder bei Gesprächsbedarf zur Verfügung zu stehen. Bis zum 1. Dezember hoffen sie auf eine Reaktion wie „in diese Angelegenheit weiter verfahren“ werde.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen