Neuer CDU-Vorsitzender in NRW: Wüst löst Laschet ab

Fast Einstimmig wird der amtierende Verkehrsminister zum neuen Chef gewählt. Am Mittwoch soll Hendrik Wüst auch Ministerpräsident werden.

Hendrik Wüst wedelt in einem Raum voller Menschen mit den Händen. Neben ihm klatscht offenbar nicht sehr begeister Jens Spahn in die Hände.

Lässt sich feiern: Hendrik Wüst nach seiner Wahl zum Vorsitzenden Foto: dpa

BIELEFELD taz | Nordrhein-Westfalens designierter neuer Ministerpräsident Hendrik Wüst hat auf der Karriereleiter Richtung ganz oben den nächsten entscheidenden Schritt getan: Der 46 Jahre alte Jurist aus Rhede im Westmünsterland ist am Samstag in Bielefeld zum neuen Landesvorsitzenden der CDU Nordrhein-Westfalens gewählt worden.

Für Wüst, der seit 2017 unter dem scheidenden Ministerpräsidenten Armin Laschet als NRW-Verkehrsminister amtiert, entschieden sich 98,3 Prozent der 656 stimmberechtigten Delegierten – mit Nein stimmten nur 11 Christdemokrat:innen. „Gigantisch“ sei das fast realsozialistisch anmutende Ergebnis, bedankte sich der frisch gewählte neue Parteichef demütig.

Denn der Landesparteitag lieferte das Zeichen der Geschlossenheit, um das Wüst selbst, aber auch Laschet als sein Vorgänger als NRW-Parteichef fast flehentlich gebeten hatten: Schon im kommenden Mai wird im bevölkerungsreichsten Bundesland mit seinen 18 Millionen Menschen ein neuer Landtag gewählt – und nach dem Desaster bei der Bundestagswahl ist auch die Stimmung an Rhein und Ruhr gekippt.

Laut einer Forsa-Umfrage von Mitte Oktober würden in NRW nur noch 20 Prozent die CDU wählen. Die lange schwächelnde SPD liegt nach dem Sieg ihres Kanzlerkandidaten Olaf Scholz dagegen plötzlich bei 33 Prozent. Die Grünen, für die noch im Mai 26 Prozent Zustimmung gemessen wurden, kommen in der Umfrage dagegen nur noch auf 13, die FDP auf 15 Punkte. Von einer Regierungsmehrheit scheint die selbsternannte schwarz-gelbe „NRW-Koalition“, die Laschet seit 2017 gestützt hat, damit meilenweit entfernt.

Laschet gibt alle Posten ab

Im Düsseldorfer Landtag soll Wüst deshalb am Mittwoch mit der Ein-Stimmen-Mehrheit von CDU und FDP schnell zum neuen Ministerpräsidenten gewählt werden – und die verbleibenden rund 200 Tage bis zur Landtagswahl nutzen, um sich einen Amtsbonus gegen SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty zu verschaffen. Der gescheiterte CDU-Kanzlerkandidat Laschet wird dagegen schon am Montag als Regierungschef zurücktreten.

Denn am Dienstag konstituiert sich der neue Bundestag, in den Laschet als einfacher Abgeordneter wechseln wird – und laut NRW-Verfassung ist das Amt des Ministerpräsidenten nicht mit einem Bundestagsmandat vereinbar. Als Landtagsabgeordneter will Laschet dagegen erst am Mittwoch zurücktreten – seinen Nachfolger als Regierungschef will der scheidende Ministerpräsident noch mitwählen.

Auch Laschets Mi­nis­te­r:in­nen werden am Montag ihre Entlassungsurkunden erhalten, bleiben aber geschäftsführend im Amt. Denn schon heute ist klar, dass Wüst keine Kabinettsumbildung plant. Auch das Verkehrsressort soll wohl nicht neu besetzt, sondern weiter von Wüst selbst geleitet werden.

Söder sei schuld

Knapp sieben Monat vor der Landtagswahl setzt der auf Kontinuität – denn Nordrhein-Westfalens Christ­de­mo­kra­t:in­nen haben die Zerstrittenheit der Union, die ständigen Querschüsse von Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder als Hauptursache für das Desaster des Regierungsverlust bei der Bundestagswahl ausgemacht.

„Wegen Söder haben wir die Wahl verloren“, hatte nicht nur Bielefelds CDU-Kreisvorsitzender Andreas Rüther schon bei der Begrüßung der Delegierten erklärt: „Unter aller Kanone“ sei das Verhalten des „Zivilbajuwaren“ gewesen. „Nicht korrekt“ und „unfair“ sei mit Laschet im Bundestagswahlkampf umgegangen worden, klagte auch Generalsekretär Jürgen Hovenjürgen. Und an dieser „Sauerei“ seien auch Christ­de­mo­kra­t:in­nen beteiligt gewesen.

Auch Laschet und sein Innenminister Herbert Reul mahnten, ohne Geschlossenheit werde die Partei keine Wahlen gewinnen. Erst er habe die lange zerstritten wirkende CDU in NRW geeint – und 2017 zum Wahlsieg geführt, lobte sich Laschet selbst. „Bitte bewahrt diese Geschlossenheit“, appellierte Laschet an seine Parteifreund:innen.

In fast gleichlautenden Reden lobten Laschet und sein Nachfolger Wüst deshalb das amtierende Kabinett: So stünden etwa Reul und Heimatministerin Ina Scharrenbach, die Laschet beide gern selbst beerbt hätten, für konsequente Kriminalitätsbekämpfung und die Stärkung der Kommunen – von der illegalen gewaltsamen Räumung des von Braun­koh­le­geg­ne­r:in­nen besetzten Hambacher Walds oder den auch in NRW explodierenden Mieten dagegen kein Wort.

Wenig selbstkritisch

Wüst gab sich zudem wenig selbstkritisch. Die „Rent-a-Rüttgers“-Affäre, bei der er 2010 als CDU-Landesgeneralsekretär versucht hatte, Gespräche mit dem damaligen christdemokratischen Regierungschef an zahlungskräftige Un­ter­neh­me­r:in­nen zu verkaufen, erwähnte er nur in einem Nebensatz. Dabei schien seine Karriere damals schon als beendet: Wenige Wochen später gewann die Sozialdemokratin Hannelore Kraft die Wahl. Vorher aber hatte Rüttgers noch Wüst gefeuert.

Trotzdem wird Wüst, der als Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT) lange stramm neoliberale Positionen vertreten hat, auch vom CDA-Arbeitnehmerflügel unterstützt. Schließlich hat der designierte Ministerpräsident erkannt, dass die CDU gerade an Rhein und Ruhr Wahlen nur in der Mitte gewinnen kann. 2,2 Millionen Wäh­le­r:in­nen habe die Partei an SPD und Grüne verloren, twitterte Wüst schon am Tag nach der Bundestagswahl. „Die Alltagssorgen der Menschen müssen Kompass unserer Politik sein“, forderte der designierte Spitzenkandidat deshalb – und nannte beispielhaft die Bereiche Wohnen, Energiepreise, Kinderbetreuung.

Wildern will Wüst deshalb vor allem bei der SPD, deren Bundestags-Wahlkampfmotto „Respekt“ dazu nur leicht variiert wird: „Du zählst“ soll das Leitmotiv der Kampagne lauten, mit der Wüst im Mai die Macht der Christ­de­mo­kra­t:in­nen in NRW sichern will.

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