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Archiv-Artikel

phishing for compliments von SUSANNE FISCHER

Der neue Internetsport ist Phishing. Großen Schaden soll das anrichten, Menschen fallen herein auf gefakte Mails, in denen der Bundeskanzler dringend darum bittet, ihm eine Stimme, das letzte Hemd und alle TAN- Nummern fürs Internetbanking zu übermitteln. Zuletzt bekam ich Post von der Postbank. Das Logo war zwar perfekt gefälscht, aber es machte mich stutzig, dass ich als Kunde angesprochen werde, obwohl ich niemals Postbank-Kundin werden würde – warum? Weil das bedeuten würde, dass ich künftig meine Bankgeschäfte an der Theke unseres Dorfkrämers zu erledigen hätte: „Frau Müller, mach mal ein viertel Gehacktes, drei Briefmarken und die Überweisung von Frau Fischer auf das Schweizer Nummernkonto!“ Nein, das geht gar nicht. Mir reicht es schon, wenn das Sparkassenpersonal die Eheprobleme der Nachbarn verhandelt, während ich schüchtern eine halbe Stunde lang in meinen Kontoauszügen blättere.

Die Mail von der angeblichen Postbank setzt darauf, dass inzwischen auch der Dümmste von Phishing gehört hat. Da gebe es, teilt mir der ausländische kriminelle Mailverschicker mit Hilfe eines Übersetzungscomputers mit, „Internetmissetaeter“, die es auf das Konto des Angeschriebenen abgesehen hätten, weshalb man dringend zwei unbenutzte TANs … „Missetaeter“ – ein Wort, dass wir seit Kinderbuchtagen nicht mehr hörten. Wo du lernen deutsch, Missetaeter? Und wann? Und bei dem ganzen Aufwand für den Schwindel, warum du nicht mal jemand fragen? Was ist mit meinem Grundrecht auf seriöse Verarsche?

Denn dafür gebe ich schließlich sogar Geld aus, jeden Monat, beim Friseur. Im Tausch für eine Summe, von der Internetmissetaeter drei Wochen lang leben könnten, sagt er Sätze zu mir wie: „Ich arbeite gern mit deinem Haar!“ Es muss Frauen geben, die so was gern hören. Ich finde es stressig, mir von jemandem in den Haaren herumfummeln zu lassen, der erwartet, dass ich ihn dabei mit meinen besten Urlaubserlebnissen unterhalte. Und der, schlimmer noch, wenn ich das nicht tue, anfängt, schmutzige Dinge zu sagen: „Beim Shampoonieren wird der Kopf entschlackt. Den Rest erledigt dann die Verdauung.“ Oder: „Frisieren ist Philosophie.“ Warum, denke ich, vor lauter Haargefummel bereits paralysiert, habe ich sogar das Abitur hingekriegt, aber schaffe es nicht, mir von einem Friseur kein Gespräch aufzwingen zu lassen? Bin ich denn ein Totalversager, der ein Leben lang anhören muss, mit wem in New York er wieder telefoniert hat? Dass er Schokoriegel für ungesund hält, sie aber trotzdem gern isst, wenn er spätabends nach wichtigen Friseurphilosophen-New-York-Telefongesprächen erschöpft nach Hause kommt zu seinem leeren Kühlschrank? Weshalb man nach 19 Uhr nicht mehr essen … Madison Avenue … Haarernährung … Kunst des Kämmens …

Kann man sich die Haare eigentlich selbst schneiden? Ja, aber dann läuft man herum wie Eugen Egners Romanfiguren, die haltlos in Lokale mit Alkoholausschank stürzen, laut schreiend: „Ich werd noch irre an dieser Scheißfrisur!“ Ich schwöre, der erste Missetaeter, der mir im Tausch für alle meine TANs einen vollautomatischen Internethaarschnitt aufschwatzt, ist ein gemachter Mann.