Sudan nach dem Putsch: Mit langem Atem gegen die Militärs

Bei den Protesten gegen die Machtergreifung des Militärs in Sudan setzt die Demokratiebewegung auf zivilen Ungehorsam.

Junge Männer und Jungen schieben eine Rolle als Barrikade

Als Zeichen des Protests gegen die Militärs errichten Menschen in Khartum Straßenblockaden Foto: afp

BERLIN taz | Sudans Demokratiebewegung nimmt den Militärputsch vom Montag nicht hin. Am Dienstag gingen Proteste auf den Straßen der Hauptstadt Khartum und anderer sudanesischer Städte in ihren zweiten Tag. Bilder und Videos zeigen weniger große Menschenmengen, die gezielt versuchten, den Sicherheitskräften die Bewegungsfreiheit zu nehmen: Straßensperren aus Steinen quer über breite Straßen, zuweilen permanent von jungen Männern bewacht, oder auch andere Gegenstände, mit denen die Hauptverkehrswege unpassierbar gemacht werden sollen.

Einer direkten Konfrontation mit der Armee gehen die Protestierenden offenbar aus dem Weg, nachdem Soldaten am Montag nach Berichten aus Khartum bedenkenlos von der Schusswaffe Gebrauch machten. Ein Ärzteverband meldete bereits am Montagabend vier Tote und 80 Verletzte, das Gesundheitsministerium der aufgelösten zivilen Übergangsregierung korrigierte die Bilanz später auf sieben Tote und 140 Verletzte.

Demonstrationen hatten sich zunächst vor dem abgesperrten Gelände des Oberkommandos der Streitkräfte in Khartum sowie vor dem Parlamentsgebäude in Omdurman am anderen Nilufer versammelt. Die Gewaltanwendung der Armee war aber offenbar zu groß für einen Dauerprotest an diesen Orten. Am Dienstag überwogen Bilder von menschenleeren Straßen und geschlossenen Geschäften.

Die Protestbewegung besteht vor allem aus den Gruppen, die aus dem Volksaufstand gegen den 2019 gestürzten Diktator Omar Hassan al-Bashir hervorgingen und am 21. Oktober einen „Marsch der Millionen“ in Khartum gegen eine befürchtete Rückkehr der Militärdiktatur organisiert hatten.

Rashid Abdi, Konfliktanalyst

„Die Graswurzel-bewegung macht massiv im gesamten Land mobil“

Sie wollen nun das Militär um General Abdelfattah Burhan, der am Montag die zivile Regierung aufgelöst und die Macht an sich gerissen hatte, mit einer Kampagne des zivilen Ungehorsams in die Knie zwingen.

Ein „Revolutionärer Eskalationszeitplan“ des Dachverbandes der Protestgruppen sieht nach einem Bericht des Radiosenders Radio Dabanga die landesweite Gründung von „Widerstandskomitees“ vor. Sie sollen Versammlungen mit Reden und Nachtwachen organisieren.

Am Donnerstag werden alle Sudanesen zu Kundgebungen auf Hauptstraßen, vor Regierungsgebäuden und vor ausländischen Botschaften gerufen, gefolgt von Aufmärschen jede Nacht bis zu Großdemonstrationen am Samstag.

„Die Graswurzelbewegung macht massiv im gesamten Land mobil“, schrieb am Dienstagvormittag der Konfliktanalyst Rashid Abdi auf Twitter. „Die Opferzahl bei Zusammenstößen zwischen Protestierenden und Armee steigt. Die Armee geht Berichten zufolge von Tür zu Tür, um Demokratieführer festzunehmen.“

Bürgerkrieg verhindern

General Burhan wiederholte derweil auf einer Pressekonferenz seine Zusicherung, es handele sich nicht um einen Putsch, sondern er habe bloß eingegriffen, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Der abgesetzte und verhaftete zivile Premierminister Abdalla Hamdok befinde sich in Burhans eigener Residenz, „zu seiner Sicherheit“.

International stößt der Coup der Generäle auf immer deutlichere Ablehnung. Nachdem erste Stellungnahmen am Montag noch von Vorsicht geprägt waren, stand am Dienstag die Forderung nach bedingungsloser Wiedereinsetzung der aufgelösten Übergangsinstitutionen im Vordergrund.

Die US-Regierung stoppte ihre gerade erst wieder gestartete Finanzhilfe für Sudan im Umfang von 700 Millionen US-Dollar. Am Dienstagnachmittag sollte in New York der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung hinter verschlossenen Türen zusammenkommen.

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