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Massiver Protest

Die Räumung des Köpi-Wagenplatzes wurde von Demonstrationen der linksautonome Szene begleitet. Franziska Giffey und Andreas Geisel verurteilen die Ausschreitungen. Eine Bilanz

Bei der Räumung des Köpi-Wagenplatzes Foto: Christian Mang

Von Sara Guglielmino

Vor den Schaufensterscheiben der Geschäfte am Zickenplatz in Kreuzberg stehen PolizistInnen mit Schutzhelmen und Schlagstöcken in der Hand eng nebeneinander aufgereiht. An ihnen laufen derweil Tausende schwarz gekleidete Demonstrierende vorbei – diese trafen sich am Freitagabend zum Protest gegen die Räumung des Köpi-Wagenplatzes in der Köpenicker Straße am Morgen desselben Tages.

Die Köpi gilt als eines der letzten linksalternativen Wohnprojekte, das Haus wurde 1990 besetzt und 1991 legalisiert. Ungefähr 50 Leute wohnen auf dem Wagenplatz um das Gelände. Der Grundstückseigentümer – offiziell die Startezia GmbH, hinter der die Berliner Immobiliengruppe Sanus AG steht – hatte mit Hinweis auf eine Baugenehmigung im Juni erfolgreich auf Räumung geklagt. Einen Eilantrag der BewohnerInnen zum Stopp der Zwangsvollstreckung wies das Berliner Kammergericht am Mittwoch ab (taz berichtete).

So wurde mit einem massiven Polizeiaufgebot dann am Freitag der Köpi-Wagenplatz geräumt: Die Einsatzkräfte rückten mit Wasserwerfern, einem Rollpanzer und einem Panzerfahrzeug mit einer großen Schaufel am vorderen Ende in der abgesperrten Köpenicker Straße ein. Laut Polizei waren insgesamt 2.000 BeamtInnen im gesamten Stadtgebiet im Einsatz.

Die BewohnerInnen wehrten sich bis in den Nachmittag. Dunkelgrauer Rauch stieg hinter dem bis zu vier Meter hohen Blechzaun um das Gelände hinauf, hin und wieder flog eine Glasflasche vom Wagenplatz auf die Straße. Es lief laute Musik, PolizistInnen und PressevertreterInnen wurden beschimpft. Bis zum Abend wurden 38 BewohnerInnen vom Gelände geführt, im gesamten Einsatzgebiet gab es bis zum Nachmittag 50 Freiheitsentzüge und freiheitsbeschränkende Maßnahmen durch die Polizei.

Auf der Protestdemo am Freitagabend wiederholten sich die Szenarien von tagsüber: Massives Polizeiaufgebot und Gegenwehr durch die DemonstrantInnen. Immer wieder flogen Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper in Richtung der PolizistInnen, aber auch auf Schaufenster. „Ganz Berlin hasst die Polizei“, riefen die Köpi-UnterstützerInnen dabei im Chor. Dabei hatte die Demonstration noch vergleichsweise ruhig begonnen, als die DemonstrantInnen um 20 Uhr am Treffpunkt eintrafen. Umso lauter wurde es dann, als die OrganisatorInnen zum Aufbruch aufriefen und den Demonstrationszug in Richtung Köpenicker Straße starteten.

Kapitalismuskritik

Die Demonstration am Freitagabend richtete sich zwar gegen die Köpi-Räumung, sollte aber ein Zeichen gegen den gesamten Kapitalismus sein, wie eine Demonstrierende vor Ort sagte. Mit Steinen zerkratzten die Demonstrierenden den Lack von Autos, einer von ihnen schlug mit einem Baustellenschild auf die Windschutzscheibe eines Mercedes-Coupé ein. „A-Anti-Anticapitalista“, schrie der Demonstrationszug dabei im Chor.

An der Köpenicker Straße angekommen, durften die DemonstrantInnen nicht passieren. Aufgrund der Räumung zähle die Straße noch immer zur „roten Zone“, wie eine Polizistin der taz gegenüber äußerte. Eine Polizeisprecherin schätzt die Teilnerhemerzahl der Demo auf 7.000 bis 8.000.

Nach der Auflösung der Demo kam es in Kreuzberg noch zu Auseinandersetzungen zwischen einer kleineren Gruppe von Demonstrierenden und der Polizei. Die Nacht verlief aber ruhig.

„Nicht in Ordnung“

„A-Anti-Anti­capitalista“, schrie der Demonstrations­zug im Chor

Die Gewalt auf der Demonstration verurteilten sowohl Franziska Giffey, designierte Regierende Bürgermeisterin, als auch Innensenator Andreas Geisel (beide SPD). „Was da passiert in der Stadt, wenn es um rechtmäßige Räumung von Orten geht, dass Menschen der Meinung sind, mit massiver Gewalt gegen Polizeikräfte ihren Willen durchzusetzen, das ist nicht in Ordnung“, betonte Giffey im RBB-Inforadio.

„Ich verurteile die Gewalt der letzten Nacht. Was wir gestern erlebt haben, ist keine politische Haltung, sondern blinde Zerstörungswut. Es ist destruktiv und löst kein einziges Problem“, teilte Geisel auf Twitter mit. Und weiter: „Es ist richtig, dass wir in Berlin Freiräume auch für unkonventionelle Wohnformen und alternative Projekte brauchen. Das gehört zu unserer Stadt. Aber diese Freiräume dürfen keine rechtsfreien Räume sein.“

Der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Benjamin Jendro, kritisierte die Ausschreitungen ebenfalls. „Wer marodierend durch die Straße zieht, Flaschen, Steine und Pyrotechnik auf Menschen wirft sowie wahllos Fahrzeuge demoliert, gefährdet unser Zusammenleben. Das gilt im Übrigen nicht nur für die, die die Steine werfen, sondern auch die Sympathisanten, die diesem Aufruf zur Gewalt folgen“, sagt er.

Laut dpa wurden am Freitag im Rahmen der Räumung und der Demo insgesamt 76 Personen festgenommen und 46 Einsatzkräfte verletzt.

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