Erik Peter über den Berliner Volksentscheid zu Enteignungen
: Die Zäsur

Mit großem Vorsprung hat sich der Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen durchgesetzt. Berlins Mie­te­r*in­nen wollen nicht länger Spielball und Geschröpfte von Finanzanlegern und Spekulanten sein. Stattdessen fordern sie, die kapitalistische Ausrichtung des Wohnungsmarktes rückgängig zu machen. Für die politische Debatte in Berlin und im ganzen Land ist das eine Zäsur. Nun muss der Berliner Senat den Entscheid, der rechtlich nicht bindend ist, nur noch umsetzen.

Von einzelnen Rekommunalisierungen im Energiebereich abgesehen, ist es bislang nicht gelungen, den privaten Sektor aus wichtigen öffentlichen Infrastrukturen zurückzudrängen. Nun aber gibt es dafür eine historische Chance.

Dass die Ber­li­ne­r*in­nen 250.000 Wohnungen wieder unter öffentliche Kontrolle bringen wollen, zeigt die Kluft zwischen ihren Bedürfnissen und den Kapitalinteressen. Angstmache vor abgeschreckten Investoren und einem Imageschaden für die Stadt konnten daran nichts ändern. Der ins Reich des Bösen verbannte Begriff der Enteignung feiert seine Wiederauferstehung als Zukunftsversprechen für ein menschenwürdigeres Leben.

Der Kampagne ist das gelungen, weil sie weder ideologisch daherkam noch dogmatisch argumentierte. Sie orientierte sich einzig an den Bedürfnissen nach bezahlbaren Mieten und der Angst vor Verdrängung. Mit einem milderen Mittel als der Vergesellschaftung ist das nicht zu erreichen – das ist in zehn Jahren des Kampfes gegen den Mietenwahnsinn klar geworden. Für Kompromisse mit den Konzernen ist es nach diesem Entscheid zu spät, sie würden auch an der Logik des Maximalprofits scheitern.

Der neue Senat muss die Enteignung sofort angehen und ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen, nicht zuletzt daran hängt seine demokratische Legitimation. Die Ausdehnung des Marktes auf gemeinnützige Bereiche hat das Vertrauen in die Demokratie schon genug erschüttert.

wahl