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Wuseliges Verlagswesen

Der Jaja Verlag wurde am 10. September 10 Jahre alt. Die Verlegerin selbst hat dazu einen Comic über ihren Alltag gezeichnet

So sieht sie aus, die „Musenstube“ von Comicverlegerin Annette Köhn Foto: Zeichnung: Annette Köhn

Von Ralph Trommer

Die Verlegerin und Künstlerin Annette Köhn, 1976 in der „Comicstadt“ Erlangen geboren (wo alle zwei Jahre der Comicsalon stattfindet), ist seit Jahren eine umtriebige Förderin der Berliner Comicszene. Vor zehn Jahren hat sie ihren eigenen Verlag mit dem lustigen Namen „Jaja“ gegründet, der vor allem jungen Künst­le­r*in­nen eine Möglichkeit bietet, ihre Erstlingswerke zu veröffentlichen. Annette Köhn hatte bereits vor Jahren die Idee, über ihren Alltag im Verlagswesen ein Buch zu machen – nun ist das gleichnamige erschienen. Dabei ist trotz des gewichtigen Hardcoverformats ein sehr leichtfüßiges Buch entstanden – persönlich, humorvoll und auch lehrreich.

Am 10. September 2011 beschloss Köhn, die zuvor als Kommunikationsdesignerin und Comiczeichnerin arbeitete, den Jaja Verlag zu gründen. Damit konnte sie mehrere Leidenschaften verbinden: das Zeichnen, das Schreiben und das Büchergestalten.

Köhn liebte von jeher, wie sie anlässlich des Jubiläums verriet „das Buch an sich, als gestalteten Gegenstand mit schönem Umschlag und der ganzen Haptik, und mit den Welten, die es öffnet“. Bis heute sind bei Jaja rund 150 Bücher veröffentlicht worden. „Illustrierte Machwerke“ nennt sie Annette Köhn gerne leicht ironisch, darunter Sach-, Koch-, Kinderbücher, Wand- und Taschenkalender. Den Kern machen jedoch die Comics aus, die oft experimentellen Charakter haben und die hiesige Independentszene bereichern.

Egal, was für ein Buch – die Publikation fällt immer höchst persönlich aus, zusammen mit den Autor*innen/Zeichner*innen wird eine zum Werk passende Form gesucht und am Ende immer gefunden. Ökologie und fairer Handel spielen beim Druck eine große Rolle: Jaja setzt auf europäische Druckereien und umweltfreundliche Materialien.

Nun also ein eigenes Buch – nicht ihr erstes, aber doch nach längerer Zeit wieder ein selbst gezeichneter Comic (ihr erstes von 2011 hieß „U-Bahn Pupse“). Und was gäbe es auch Passenderes als diese Kunstform für ein Porträt des Jaja-Verlags? Annette Köhns Zeichenstil macht den Einstieg ins Buch leicht, indem sie die Figuren recht einfach hält – ihre locker hingeworfenen Panels erinnern ein wenig an Kinderzeichnungen und spiegeln so das Spontan-Kreative ab, für das der Jaja-Verlag seit Jahren steht. „Es kann auch mal um die kleinen, banalen Dinge gehen“, äußert sich Köhn zu ihrem Stil und anderen Veröffentlichungen des Verlags, „das Skizzenhafte, Nichtperfekte, da fühle ich, da ist mehr Persönlichkeit dahinter und die ‚unsaubere‘ Linie, die zieht sich durchs ganze Programm durch“. Mit derart „unsauberen“ Linien erfasst die Verlegerin ihre Charaktere – zumeist reale Personen wie die Erzählerin: die schlanke Annette Köhn selbst, ihre blondgelockte Praktikantin Loui und andere „Musen“ aus der Ateliergemeinschaft.

Das Ganze spielt an einem fiktiven Tag (etwa im Februar 2020, als die Pandemie begann) in der sogenannten Musenstube, wie sich die Neuköllner Ateliergemeinschaft mehrerer Künstlerinnen seit 2006 nannte. Wie zufällig schneien Personen ins Büro hinein, etwa die Zeichnerin Maki Shimizu, die das erste Jaja-Buch „Adagio – Alltag in Berlin“ gezeichnet hat und kürzlich die backsteindicke Berlin-Graphic-Novel „Über Leben“ vorlegte.

Im Comic berichtet die stolz lächelnde Verlegerin, wie so ein Arbeitsalltag in den Räumen der Musenstube beziehungsweise bei Jaja so aussieht. Das geschieht mit sanfter Ironie, da viel Zeit mit schnödem Büroalltag draufgeht – etwa Mails schreiben, Pakete hübsch und bunt gestalten (ein Markenzeichen des Verlags) und verschicken bis hin zu lästigen Rechnungen und Zahlungsaufforderungen. Die gute Laune wird nie gänzlich verjagt, da engagierte Mitstreiterinnen wie Loui oder auch der flauschige Atelier­hund Blender dabei sind. Damit das Stimmungslevel gehalten wird, darf auch mal zwischendurch abgetanzt werden. Der DHL-Mann sorgt hingegen oft für Frust, wenn er auf sich warten lässt, aber auch mal für absolute Hochstimmung, wenn frisch aus der Druckerei gekommene neue Bücher eintreffen, wie Büke Schwarz’ Graphic Novel „Jein“. Obendrein tummeln sich in der Musenstube noch ein paar Comicfiguren, etwa Maki Shimizus Kater Adagio und die Maki-Maus. Und die „Verlagswesen“: kleine, wuselige gute Geister, die im Verlag herumhuschen und die nur die Verlegerin selbst sehen kann. Durch die für Annette Köhn mal aufheiternden, mal nervtötenden Gespräche mit ihnen bekommt der Comic einen absurd-komischen Touch, die Verlagswesen sorgen für zusätzlichen Spaß. Die Geschichte trägt sich auch über die verschiedenen Charaktere, vor allem die „Musen“, die in leichter Überspitzung so dargestellt werden, als würden sie Köhn andauernd von der Arbeit abhalten.

Erzählt wird dieser harmonische Arbeitsalltag mitsamt seinem liebenswerten Chaos flott. Wiederholt wendet sich die Verlegerin in direkter Ansprache an die Leserinnen und Leser, um manchen Trick ihrer Buchhaltung zu erklären, ohne dabei allzu didaktisch zu werden. Zur gut gelaunten Lektüre trägt auch die sanfte Aquarellierung bei. Auf weitere gut gelaunte Verlagsjahrzehnte! Jaja …

Annette Köhn: „Verlagswesen“. Jaja Verlag, Berlin 2021, 100 Seiten, 23 Euro

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