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Arbeits-bedingungen bleiben eine Baustelle

Baubeschäftigte protestieren gegen lange, unbezahlte Wegzeiten. In der vorerst letzten Tarifrunde zwischen Bauunternehmen und Gewerkschaften ist eine Einigung nicht in Sicht

Demonstrieren für bessere Arbeitsbedingungen: Baubeschäftigte in Hamburg Foto: Marcus Brandt

Von Alexandra Hilpert.

Lange Wegfahrtzeiten sind für Martin Noack nicht ungewöhnlich. In manchen Zeiten wechselt der Arbeitsort des Bauarbeiters täglich. „Die Baustellen kommen ja nicht zu uns“, sagt er. Was ihn stört, ist, dass die Wegzeit manchmal auf anderthalb Stunden ausufert, dass er keinerlei Einfluss darauf hat und keine Entschädigung für die verlorene Zeit bekommt.

Um Wegzeiten und Löhne, wird es heute in der fünften und vorerst letzten Tarifverhandlungsrunde zwischen Bauunternehmen und Baugewerkschaften gehen. Die Industriegewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt (IG Bau) Nord nimmt das zum Anlass für eine Kundgebung. Auf der Baustelle Manshardtstraße/Legienstraße im Stadtteil Horn stehen heute für ein paar Stunden die Maschinen still. Rund 100 Baubeschäftigte von verschiedenen Bauunternehmen kommen zusammen, unter ihnen auch Beschäftigte des Unternehmens Echterhoff, das eng in die Tarifverhandlungen eingebunden ist.

Die IG Bau fordert eine Lohnerhöhung um 5,3 Prozent, die Umsetzung der Ost-West-Angleichung sowie die Einführung einer Wegzeitentschädigung. Zwar ist im Bundesrahmentarifvertrag geregelt, dass den Beschäftigten 20 Cent pro Kilometer Arbeitsweg gezahlt werden. „Aber beispielsweise sind 60 Kilometer im Hamburger Stadtverkehr etwas ganz anderes als die gleiche Strecke auf dem Land“, sagt Dirk Johne, stellvertretender Regionalleiter der IG Bau Nord. Die Stunden, die solche Wegzeiten einnehmen, müssten bezahlt werden, fordert die Gewerkschaft. Es gehe aber auch darum, „die Sensibilität für Wegzeiten bei den Arbeitgebern zu erhöhen“, sagt Johne.

Dabei seien die Bauunternehmen finanziell so gut aufgestellt, dass es eigentlich kein Problem sein sollte, höhere Löhne und Wegzeitentschädigungen zu zahlen. „Der Bau boomt“, sagt Johne. Die Baubranche sei eine der wenigen gewesen, die nicht unter der Coronakrise gelitten habe.

Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes sieht das anders: „Wir haben die Corona­krise zwar relativ gut überstanden“, sagt ein Sprecher, aber durch die Lieferengpässe habe sich die Baukonjunktur merklich eingetrübt. Die Materialbeschaffungskosten würden im Moment steigen. „Das hat bei den Bauunternehmen den Umsatz gedrückt.“

Tatsächlich ist die Summe der Kundenaufträge in Hamburgs Baugewerbe im ersten Halbjahr 2021 zurückgegangen, fand das Statistikamt Nord heraus – eine Entwicklung, die bei Betrachtung des Langzeittrends jedoch kaum ins Auge fällt. „Aufträge gibt es genug“, sagt auch der Baubeschäftigte Noack. Auf den Baustellen bestehe daher für die Beschäftigten zum Teil hoher Produktionsdruck. Rückstau gibt es auch deshalb, weil es nicht genügend Beschäftigte gibt. Noack erklärt sich das mit den schlechten Arbeitsbedingungen.

Laut der IG Bau arbeiteten Baubeschäftigte im Jahr 2019 verglichen mit anderen Branchen 10 Prozent mehr. Die Gewerkschaft bezieht sich damit auf eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Wegen der schweren körperlichen Betätigungen würden viele früher in Rente gehen – im Schnitt mit 59 Jahren. Das habe wiederum negative Auswirkungen auf die Rente, sagt Johne. Auch die Lebenserwartung von Bau­ar­bei­te­r:in­nen sei im Durchschnitt niedriger, schreibt die IG Bau in einer Mitteilung.

„Wer will denn heute noch unter solchen Bedingungen arbeiten?“

Martin Noack, Baubeschäftigter

Keine vielversprechenden Aussichten für junge Menschen vor dem Berufseinstieg. „Die jungen Leute, die heute auf dem Bau anfangen, haben andere Ansprüche als früher. Die wollen auch mal zu Hause sein und nicht immer auf der Arbeit oder dem Arbeitsweg“, sagt Johne.

Er sieht die Chancen einer Einigung eher gering: „Der Arbeitgeber müsste schon sehr drauflegen, damit das was wird.“ Das Angebot der Arbeitgeber einer Lohnerhöhung um drei Prozent sei „eigentlich kein Angebot“. Beim Thema Wegzeitentschädigung sperre sich der Arbeitgeber komplett.

Der Sprecher vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes sagt dazu: Zu der Wegstreckenentschädigung hätte man sich nach der letzten Tarifrunde in moderierten Spitzengesprächen bereits ausführlich beraten. „Darauf aufbauend sind wir an konstruktiven Lösungen interessiert.“

Wenn sich die Tarifpartner heute nicht einig werden, „bleibt uns nur noch der Arbeitskampf, um die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen“, sagt Johne.

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