Wahlkampf, Özil und Gorleben: Unschuldige Kinder mit Knopf im Ohr

Wer wird Armin Laschet als Nächstes aufs Glatteis führen? Und ist die Sendepause für Nemi El-Hassan nicht eine ganz gute Idee?

Nemi El Hassan

Nemi El-Hassan macht noch bisschen Pause, passt doch Foto: WDR

tazz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Özil wählt Todenhöfer.

Und was wird besser in dieser?

Erdoğan eifersüchtig.

Zwei Elfjährige haben geschafft, was den Mo­de­ra­to­r*in­nen bei den TV-Triellen nicht gelungen ist: Die Kin­der­re­por­te­r*in­nen Romeo und Pauline brachten Armin Laschet bei „Late-Night-Berlin“ auf ProSieben mächtig ins Schwitzen. Auf Fragen zum Hambacher Forst und Hans-Georg Maaßen reagierte der CDU-Kanzlerkandidat unsouverän und pampig, an einer Stelle sagte er sogar: „Wir wollen hier doch plaudern.“ Sind Kinder die besseren Journalist*innen?

Die wuscheligen Blagen hatten Headphones im kameraabgewandten Ohr, bei Sekunde 12 sieht man es kurz bei „Pauline“. Laschet wird von Profis aus dem Off gegrillt und spielt den durchschauten Schwindel mit. Rein technisch hätte das auch ein sprechfähiger Papagei gekonnt, und die taz müsste dann fragen, ob im deutschen Journalismus Geflügel fehlt. Man sähe es auch gern mal umgekehrt – Erwachsene, die von Kindern im Off souffliert werden. Und kann ich bitte noch ein bisschen Handy und länger wach bleiben heute?

Seit dem 30. August befinden sich sechs junge Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen in Berlin im Hungerstreik, ihr Gesundheitszustand ist kritisch. Sie fordern ein öffentliches Gespräch mit Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz am 23. September. Sagen die zu, beenden die Ak­ti­vis­t*in­nen den Hungerstreik sofort. Was glauben Sie, wie wird es ausgehen?

Fürs Klima wäre es schädlich, wenn sich einige seiner Treuesten verstümmelten. Und wir brauchen eine Aufhellung und auch Entscheidung, ob wir noch über Politik oder schon über Religion reden. Die Aktivisten wären die Ersten, die Regierenden Erpressbarkeit vorwerfen würden – wenn es nicht um ihre Belange ginge.

Facebook hat knapp 150 Accounts und Gruppen auf seinen Plattformen gelöscht, die zur „Querdenken“-Bewegung gehören sollen. Ist Facebook also am Ende doch gar nicht so scheiße?

Das ist Privatgerichtsbarkeit. Lasst uns noch mal drüber reden, wenn Zuckerberg Haft-, Geld- oder gleich Leibstrafen verhängt. 20 Peitschenhiebe für schlimme Bildchen oder so. Es gibt keinen unabhängigen Rechtsweg, sich gegen diese Sperren zu wehren; noch Möglichkeiten, die Sperre anderer Lügenseiten zu erzwingen: Reine Willkür. 2018 ventilierte Facebook einen „Gesprächskreis Digitalität und Verantwortung“, 2019 wurde ein „40-köpfiges Aufsichtsgremium“ angekündigt. Diesmal setzt es also Sperren nach Gutsherrenart. Der Konzern testet aus, wie viel honorige Gesten er machen muss, um weiterhin schlechter kontrolliert zu werden als jede Frittenbude. Facebook spielt Kuratierung, um eine ernsthafte Kuratierung zu verhindern.

Der Journalistin Nemi El-Hassan wird Nähe zu Islamisten vorgeworfen. Obwohl sie sich von ihrer Teilnahme an einer israelfeindlichen Demo vor sieben Jahren distanziert hat, ist nicht sicher, ob sie, wie eigentlich geplant, künftig die WDR-Wissenschaftssendung „Quarks“ moderieren darf. Angenommen, Sie wären der Intendant des WDR: Wie würden Sie entscheiden?

Buhrow entscheidet für – Sendepause. Eine zu Unrecht vergessene Programmform. Und – ein probates Mittel, etwa auch im Leben der medienpolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Elisabeth Motschmann. Sie fordert El-Hassans Rauswurf. Motschmann hatte in den 80ern die Welt an ihrem Geheimwissen teilhaben lassen, wonach Schwule durchschnittlich 600 Sexualpartner hätten und ihre Beziehungen gern auf Toiletten entstünden. Dann verging Zeit, und Motschmann korrigierte sich: Ihr Urteil damals sei „zu hart, zu kritisch und auch falsch“ gewesen. Also – Motschmann beansprucht hier genau die Läuterung, die sie El-Hassan verweigert. Buhrow könnte Motschmann ihren homophoben Auftritt aus „3 nach 9“ von 1984 aus dem Archiv kopieren und mit liebem Gruß zusenden. Hat er vielleicht schon.

Nach Jeff Bezos ist der nächste Milliardär ins All gestartet. Jared Isaacman und drei weitere Welt­raum­tou­ris­t*in­nen umkreisten in einer Raumkapsel des US-Unternehmens SpaceX drei Tage lang die Erde. Allein beim Start der Rakete wurden Ex­per­t*in­nen zufolge etwa 380 Tonnen CO2 ausgestoßen. Wie ignorant kann man bitte sein?

Was die vollständige Sinnfreiheit der Veranstaltung angeht – sicherer zweiter Platz hinter der Rückkehr der FDP in den Bundestag 2017. Es hat schon was von „Ich wäre jetzt wohl Pilot und du Bordärztin“, halt Kindergeburtstag für Multimilliardäre. Und die bange Frage: Was werden die Marsmenschen über uns denken? Vermutlich, dass wir sonst keine Sorgen haben.

Gorleben wird endgültig geschlossen. Wie lange haben Sie auf diese Nachricht gewartet?

Man wagt kaum, es der FFF-Generation zu sagen: 44 Jahre.

Und was machen die Borussen?

Mitgeschäftsführer Carsten Cramer lobt im Kicker, der BVB habe Fans, andere Marken hätten eher nur Kunden. Kommt also direkt nach der taz.

Fragen: Rieke Wiemann, waam

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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