: 1. weil rechtsradikale Strukturen Teil des Polizeisystems sind
Rechte Polizeigewalt – keine Ausnahmeerscheinung in Deutschland. Der Anschlag von Hanau ist ein Paradebeispiel dafür: Gegen 13 SEK-Beamt:innen, die am Tatort sind, wird wegen rechtsextremer Chatnachrichten ermittelt. Ein Rechtsterrorist ermordet neun Menschen und zur Hilfe eilen bewaffnete Rechtsextreme?
Die Aktivist:innen von „Death in Custody“ gehen derzeit von 183 Todesfällen von Menschen of Color und Schwarzen Menschen im Kontext von Polizeieinsätzen seit 1990 aus – in Deutschland. Auch der Mord an Oury Jalloh wirft weiterhin Fragen auf. Nach 16 Jahren ist der Fall noch immer ungeklärt. Hinzu kommen wöchentlich auffliegende rechte Polizei-Chatgruppen – nur die Spitze des Eisbergs? Der Trend ist klar: Rechte Netzwerke innerhalb der Polizei haben Struktur und System. Wie viele Beispiele braucht es noch, um nicht mehr nur noch von „Einzelfällen“ zu sprechen?
„Wer wacht über die Wächter?“ fragte sich bereits der Satiriker Juvenal im alten Rom. Das fragen wir uns auch. Vor allem, wenn die Wächter der Demokratie selbst demokratiefeindlich sind. Von jährlich mehr als 2.000 gestellten Anzeigen führen laut einer Studie der Universität Bochum nur zwei bis drei Prozent zu einer Anklage. Grund hierfür ist, dass Ermittlungen gegen Polizeibeamt:innen von der Polizei selbst geführt werden. Im Zweifelsfall entscheidet die Staatsanwaltschaft eben für die Kolleg:innen der Polizei – wäre ja doof, wenn man sich gegenseitig auf die Füße tritt. Eine Vorgehensweise, die viele abschreckt, weshalb nur neun Prozent der von Polizeigewalt betroffenen Menschen überhaupt Anzeige erstatten.
Abhilfe schaffen könnte da eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle auf Bundesebene. Großbritannien macht es vor und auch Dänemark und Belgien setzen bereits darauf. Jedes mittelständische Unternehmen hat einen unabhängigen Betriebsrat, bei dem sich Mitarbeiter:innen beschweren können. Nur die größte bewaffnete Institution des Landes, die Menschenrechte schützen soll, schafft es nicht, eigene Menschenrechtsverletzungen aufzuklären.
Deshalb fordern wir von der neuen Bundesregierung die Einführung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle auf Bundesebene. Die Beschwerdestelle soll für Dienstaufsichtsbeschwerden zuständig sein und strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamt:innen durchführen. Dadurch sollen Untersuchungen zu rechtsradikalen Netzwerken innerhalb der staatlichen Sicherheitsapparate mit entsprechenden strafrechtlichen Konsequenzen ermöglicht werden. Zudem kann die lückenlose, konsequente und transparente Aufklärung der zahlreichen Fälle rassistisch motivierter Polizeigewalt garantiert werden. Die Beschwerdestelle soll mehrheitlich durch Betroffene besetzt werden und wissenschaftliche Studien zu Rassismus und Rechtsradikalismus innerhalb der Polizei durchführen können.
Mit der Ausrede sogenannter „Einzelfälle“ geben wir uns nicht mehr zufrieden.
Sonja Smolenski, Yasin Özün
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