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Besteck aus Brot

Viele Einweg-Plastikprodukte sind seit Juli in der EU verboten. Mit der Produktion essbarer Löffel liegt die Göttinger Firma „Kulero“ also im Trend. Auch Knäste sind interessiert

Bieten essbare Löffel in verschiedenen Geschmacksrichtungen an: die Göttinger Jung-Unternehmer Juliane Schöning und Hemant Chawla Foto: Swen Pförtner/dpa

Von Reimar Paul

„Zum Schokoladeneis passt vielleicht der Kakao-Löffel Cocoa Delight am besten“, empfiehlt Juliane Schöning. „Farblich und geschmacklich.“ Die Mitgründerin und Co-Geschäftsführerin des Göttinger Start-up-Unternehmens „Kulero“ schiebt einen dunkelbraunen Löffel über den Tisch. Das cremige Eis ist schnell verputzt, der Besucher knabbert nun an dem Besteckteil. Es ist knusprig gebacken, eine leichte Note nach Kakao ist herauszuschmecken.

„Wir haben auch Classic, Marsala und Black Pepper“, sagt Schöning. Seit zwei Jahren produziert Kulero die essbaren Löffel und verkauft sie mit wachsendem Erfolg inzwischen in ganz Deutschland. Im Angebot sind auch Teller, Schüsseln, Becher und Halme für Getränke aus Brotteig, die von befreundeten Firmen hergestellt und von Kulero mit vertrieben werden.

Die Idee, essbare Löffel zu backen und damit Plastikmüll zu verhindern, hatte Mitgründer Hemant Chawla vor drei Jahren bei einem Festival in Indien. Es gab da Schälchen mit Reis zu essen, aber nicht genug Besteck. „Alle hatten Hunger, überall türmten sich Müllberge“, erinnert sich Chawla. Da haben wir in der Familienküche überlegt, Löffel aus Teig zu backen, die nicht nur lecker, sondern auch stabil sind.“

Nach etlichen Versuchen mit Backzeiten und Zutaten stand das Rezept. Es besteht aus verschiedenen Mehlsorten und natürlichen Geschmacksstoffen, alles komplett vegan. In heißen Suppen halten sich die Löffel bis zu 30 Minuten, in kalten Speisen und Eis bis zu einer Stunde. Heute leitet Chawla das Unternehmen zusammen mit Schöning. Seine Familie in Indien betreibt eine der beiden Produktionsstätten, die andere ist eine Keksfabrik in Baden-Württemberg.

Nach Absolvierung eines bürokratischen Hindernislaufs wurde Kulero 2019 in Deutschland gegründet. „Da musste erst von den Behörden geklärt werden: Ist es ein Lebensmittel oder ist es ein Besteck“, erzählt Schöning. „Es ist dann ein Lebensmittel geworden, es ist ja auch essbar.“ Das Startkapital sammelten Schöning und Chawla über ein Crowdfunding ein. Nach Aufrufen in den sozialen Medien kamen schnell rund 750 Spender und 20.000 Euro zusammen.

Auf solche Zuwendungen ist das junge Unternehmen inzwischen nicht mehr angewiesen. Das Geschäft läuft gut – allein rund vier Millionen essbare Löffel hat Kulero inzwischen verkauft. Für den Vertrieb des Geschirrs und der Knusper-Halme der Partnerfirmen kassiert die Firma ein paar Prozente. Es gibt in Göttingen fünf Vollzeitstellen und eine Handvoll weiterer Arbeitsplätze für Werkstudenten und Praktikantinnen.

Die Kundschaft rekrutiert sich aus Lebensmittel-Märkten, Eisdielen und anderen gastronomischen Betrieben. Auch knapp 40 Gefängnisse und mehrere psychiatrische Krankenhäuser ordern inzwischen das Essbesteck aus Göttingen. „Natürlich nicht nur aus ökologischen Gründen oder weil es gut schmeckt“, sagt Schöning. „Sondern auch, weil sich Gefangene und Patienten damit nicht selbst oder andere verletzen können.“

Für die Kulero-Belegschaft indes steht der Umwelt- und Nachhaltigkeitsgedanke im Zentrum. „Ich bin vor allem wegen der ökologischen und zukunftsfähigen Produkte hier“, sagt Praktikantin Lotte Nacke. Geschäftsführerin Schöning ist davon überzeugt, dass man die Nutzung von Plastik- und Einwegprodukten überwinden kann und überwinden muss: „Unsere Löffel hinterlassen keinen Müll, und wenn Menschen sie nicht essen, dann essen Tiere sie oder sie kommen auf den Kompost.“

Chawla ergänzt, auch das zuletzt so gehypte Bio-Plastik sei keine Alternative. Das werde zwar als erdölfrei und kompostierbar beworben: „Aber keiner sagt dazu, dass es teilweise Jahrzehnte dauert, bis das Zeug zerfallen ist.“

Das unternehmerische, soziale und ökologische Engagement findet nicht nur in steigenden Käuferzahlen Anerkennung. Bereits 2019 wurden die Kulero-Gründer von der Bundesregierung als Kultur- und Kreativpiloten ausgezeichnet. Die im hessischen Bensheim ansässige Karl-Kübel-Stiftung verlieh kürzlich ihren „Fairwandler-Preis“ an das Göttinger Start-up, weil es „innovative Lösungen zum Umweltschutz und nachhaltigen Konsum“ biete.

Zukünftig wollen Schöning und Chawla noch mehr Menschen von ihrer Idee und ihrem Produkt überzeugen, möglichst auch im Ausland. Den passenden Namen als internationale Marke hat das Unternehmen schließlich schon: „Kulero“ bedeutet Löffel in der künstlichen Weltsprache Esperanto.

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