Gericht gibt sich nicht säkular

Die Beauftragung eines theologischen Gutachtens durch das Landgericht stößt auf Kritik

Ein theologisches Gutachten als Entscheidungshilfe für ein Gerichtsurteil – dieses Vorhaben des Landgerichts Bremen wird von mehreren Seiten kritisiert. Am Dienstag war bekannt geworden, dass das Gericht ein Gutachten in Auftrag gegeben hatte, um zu prüfen, ob die queerfeindlichen Aussagen von Pastor Olaf Latzel in einem Online-Video sich aus der Bibel begründen lassen - und damit von der Religionsfreiheit gedeckt sein könnten (die taz berichtete). Latzel war im vergangenen Herbst wegen Volksverhetzung verurteilt worden, im Winter steht sein Berufungsverfahren an.

Der Göttinger Kirchenrechtler Hans Michael Heinig nannte den Vorgang gegenüber dem Evangelischen Pressedienst „befremdlich“. Für die Frage, ob der objektive Tatbestand wegen Volksverhetzung erfüllt werde, dürfe die theologische Bewertung von Homosexualität keine Rolle spielen, sagte Heinig: „Was die Bibel ‚wirklich‘ sagt, ist im säkularen Rechtsstaat nun wirklich keine sinnvolle Frage für ein Gerichtsgutachten.“

Auch der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten Bremen kritisiert das Gericht. „Das Rechtsverständnis dieses Landes basiert auf dem Grundgesetz und bürgerlichen Gesetzen, nicht auf Bibelauslegungen oder der Scharia“, so dessen Vorsitzender Herbert Thomsen. „Mit der Bibel, 5. Buch, Mose 7, Tötung der Kanaaniter, ließe sich auch ein Völkermord an Ungläubigen rechtfertigen.“

Neben der grundsätzlichen Ablehnung zeigt sich der IBKA auch durch die Auswahl des Gutachters irritiert: Christoph Raedel lehrt als Professor an der Freien Theologischen Hochschule (FTH) Gießen. Diese gehört zum Netzwerk der Evangelikalen in Deutschland. Ein Gutachten durch ihn sei „ein gezielter Versuch Olaf Latzel durch eine evangelikale Bibelauslegung zum Freispruch zu verhelfen“, so Thomsen. (taz)