Kai Schöneberg über teures Bauland: Für Spekulanten wie Schlaraffia
Es war einer der ersten Aufreger im Wahlkampfjahr 2021: Die Grünen wollten Einfamilienhäuser „verbieten“, krawallten die üblichen Verdächtigen. Dabei hatte Fraktionschef Anton Hofreiter sich nur zur krassen Wohnungsnot in Metropolen wie Hamburg geäußert – und gefordert, Kommunen sollten mehr Rechte erhalten, Häuslebauerprojekte an den Stadträndern regulieren zu können. Die Häuser stehen zwar bei vielen für Familienglück, führen aber auch zu Flächenfraß, Zersiedlung, mehr Verkehr, mehr Energiekonsum und zu mehr CO2-Emissionen. Zwar wurde trotz Corona 2020 so viel gebaut wie lange nicht, aber vor allem teuer. In Ballungsräumen werden Mieter vielfach weiter einfach verdrängt.
Düstere Aussichten: Nicht nur die Kosten für Baumaterialien, auch die Grundstückspreise gehen durch die Decke. 2020 kostete ein Quadratmeterchen Bauerwartungsland in Deutschland laut neuesten Zahlen 199 Euro. Rekord. 2010 waren es noch 130 gewesen. Für Spekulanten ist der Markt wie Schlaraffia. Wer im gerade erhitzten Marktumfeld wartet, sahnt ab. Am teuersten ist es im Süden und in den Metropolen. Allein in Berlin soll es 50.000 Wohnungen geben, die trotz Baugenehmigung nicht gebaut werden.
Das „Baulandmobilisierungsgesetz“ der Großen Koalition ist zahnlos, hilfreich dagegen Vorbilder in den Kommunen: Da gibt es Tübingen, wo Eigentümer verpflichtet werden können, zu bauen oder zu verkaufen. Ein harter Eingriff. Interessanter, auch wegen derzeitiger Minizinsen: das Modell Ulm. Am Rand der Schwäbischen Alb kauft die Stadt seit Jahrzehnten Grundstücke und Immobilien vom Markt weg – und bestimmt so als Zwischeneigentümer, wer wann wie baut. Immo-Haie haben es hier schwerer. Allerdings: Ohne langen Atem und gut gefüllte Kasse ist das nicht machbar. Eine Möglichkeit für die nächste Bundesregierung: die „Spekulationsfrist“ abschaffen. Wer derzeit 10 Jahre wartet, kann beim Weiterverkauf von Grundstücken steuerfrei weiterverkaufen. Eine Einladung an Spekulanten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen