: Mangelverwaltung für Fortgeschrittene
Dem Gesundheitsamt fehlt’s an Personal. Seit der Pandemie läuft die Suche etwas besser – auch weil endlich Geld da ist, um mit den Löhnen auf dem freien Markt zu konkurrieren
Von Lotta Drügemöller
Die Personallage im Bremer Gesundheitsamt verschlechtert sich. Die Personallage im Bremer Gesundheitsamt verbessert sich. Für beides findet man Hinweise in der Antwort des Senats auf eine große Anfrage der FDP aus dem Juli. Demnach hat, einerseits, die Zahl der unbesetzten Stellen in der Behörde in den vergangenen drei Jahren zugenommen: Ende 2018 fehlten im Gesundheitsamt noch Mitarbeiter*innen für rund 19 Stellen, im März 2021 fehlten ganze 33.
Andererseits hat die Zahl der tatsächlich Beschäftigten in dieser Zeit zugenommen – und das nicht zu knapp: Anfang 2018 füllten die Mitarbeiter*innen gut 98 Stellen aus, mittlerweile sind es 122 – also 24 mehr als noch vor drei Jahren, 21 mehr als vor einem Jahr.
Der scheinbare Widerspruch erklärt sich damit, dass der Senat seit Frühjahr 2020 deutlich höhere Ziele anstrebt: Mittlerweile soll das Gesundheitsamt 155 Mitarbeiter*innen haben. Landauf, landab war in der Frühphase der Pandemie die schlechte Ausstattung der Gesundheitsämter aufgefallen. Auch der Bremer Senat hatte entschieden, seine Behörde besser auszustatten.
Nicht erklären können die Zahlen, warum die Personalgewinnung ab 2020 so flott vonstatten ging. Schließlich hatte es schon vorher einen Mangel gegeben – doch erst jetzt fanden sich Mitarbeiter*innen im großen Stil; nicht genug, aber doch eine Menge. „Das Interesse an den Gesundheitsämtern ist in der Pandemie sicherlich hochgegangen“, versucht sich Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) an einer Erklärung. „Viele haben ein anderes Bild davon gewonnen, die Attraktivität ist gestiegen.“
Immerhin: Die Behörde hat flexiblere und familienfreundlichere Arbeitszeiten zu bieten als früher – und jetzt auch zumindest etwas mehr Renommee. So entschieden sich während der Pandemie auch Mitarbeiter*innen, die nur abgeordnet oder zeitlich befristet tätig waren, dauerhaft zu bleiben.
Und doch: Gelöst sind die Probleme des Gesundheitsamts noch lange nicht. „Teilweise liegen bei Stellenausschreibungen keine oder lediglich ein bis drei Bewerbungen vor“, heißt es in der Senatsantwort. Die Schwierigkeit, Personal zu finden, ist nicht nur eine Frage des Images, sondern dreht sich, viel handfester, auch ums Geld. Zwar werden die Mediziner*innen auch in der Behörde nach dem Tarifvertrag für Ärzt*innen in kommunalen Krankenhäusern bezahlt – doch die Konkurrenz um Fachkräfte ist hoch, auf dem freien Markt sind für sie oft noch viel höhere Gehälter zu holen.
Schon länger gibt es deshalb auf den Tariflohn noch 1.000 Euro extra für Ärzt*innen. Doch dieser Anreiz reicht scheinbar nicht. Die Behörde ist deshalb dazu übergegangen, Personal über eine Agentur anzumieten – eine Art Elite-Leiharbeitsfirma. Im Frühsommer wurde dafür zusätzliches Geld bereitgestellt: 750.000 Euro gab es für zehn Arztstellen über drei Monate. Das bedeutet Kosten von 25.000 Euro pro Kopf und Monat. Deutlich teurer also als die regulären Stellen. Aber: „So bekommen wir aktuell zumindest die benötigten Mitarbeiter“, sagt Bernhard.
Der Personalnotstand führt zu Mehrarbeit innerhalb der Behörde. Die Mitarbeiter*innen mit ihren umgerechnet gut 122 Vollzeitstellen haben gemeinsam 9.000 Überstunden angehäuft. Gezählt wird dabei nur die Summe der Beschäftigten mit mehr als 50 Überstunden; die reale Zahl dürfte also noch höher liegen. Eine Dienstvereinbarung soll klären, wie die Stunden abgegolten werden können. Die Perspektive ist eher langfristig, eventuell hilft irgendwann das Ende der Pandemie: Laut Senatsantwort sind alle Mitarbeiter*innen, die mehr als 50 Überstunden haben, in deren Bekämpfung eingebunden.
Für die Gesundheitsversorgung der Stadt sieht man in der Behörde dagegen keine ernsten Konsequenzen des dauerhaften Personalnotstands. Zwar konnten 2020 erstmals nicht alle Schuleingangsuntersuchungen absolviert werden – 276 Schulanfänger*innen sind im letzten Sommer ungeprüft eingeschult worden –, praktische Konsequenzen habe das aber nicht gehabt, die stärker gefährdeten Kinder habe man erwischt. Und auch sonst fällt es in der Behörde schwer zu sagen, worin der Mangel eigentlich besteht – er sei ein Stück weit Normalität geworden, so Ressortsprecher Lukas Fuhrmann.
Für neue Mitarbeiter*innen hat man aber bereits Ideen. „Umfassende Angebote des öffentlichen Gesundheitsdienstes in den Stadtteilen“ will die Senatorin mit ihnen absichern.
Geld ist tatsächlich da: Im Herbst 2020 hat der Bund mit den Ländern den milliardenschweren „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ geschlossen (ÖGD-Pakt). Insgesamt 31 Millionen Euro soll Bremen für Personal daraus bekommen, zwei sind schon geflossen. Bis 2026 soll die Summe auf 7,5 Millionen jährlich steigen. 21 neue Stellen gegenüber Februar 2020 soll Bremen dafür im ersten Schritt bis Dezember schaffen.
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